Qualitätssicherung

Personal-Ausstattung in der Psychiatrie: Nur jedes zweite Haus erfüllt Mindestvorgaben

September 2023

Die zentralen Untersuchungsergebnisse zur Personalausstattung in den stationären Einrichtungen der Erwachsenenpsychiatrie und der Kinder- und Jugendpsychiatrie im zweiten Quartal 2022 sind ernüchternd: Über die Hälfte der Einrichtungen erfüllt die geforderte Mindestpersonalausstattung in den therapeutischen Berufsgruppen nicht - und dies trotz abgesenkter Vorgaben in der Einführungsphase, trotz der Möglichkeiten, Berufsgruppen untereinander auszutauschen und Fremd- und Hilfspersonal einzusetzen. Vor allem Pflegefachkräfte und Spezialtherapeutinnen und Spezialtherapeuten fehlen. Dies geht aus dem Auswertungsbericht 2022-2 des Instituts für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) hervor. Ab 2024 sind Konsequenzen für die betroffenen Kliniken vorgesehen.

In der Erwachsenenpsychiatrie erfüllen insbesondere die großen Häuser mit vielen Stationen die Mindestvorgaben nicht. Das verwundert, da die großen Häuser ihr Personal flexibel einsetzen und personelle Defizite leichter ausgleichen können. Kleine Einrichtungen mit weniger als 25 Betten haben dagegen deutlich bessere Ergebnisse. In der Kinder- und Jugendpsychiatrie sind es die mittelgroßen Häuser, die schlecht abschneiden.

Besonders vulnerable Kranke werden besonders schlecht versorgt

Nachdenklich stimmt auch das Ergebnis, dass gerade solche psychiatrischen Einrichtungen die Mindestvorgaben am seltensten einhalten, die einen hohen Anteil an Intensivpatientinnen und –patienten aufweisen. Dabei handelt es sich um Patientinnen und Patienten, die aufgrund ihrer Erkrankung akut suizidgefährdet, vital gefährdet oder aggressiv gegen andere Personen sind. Diese Patientinnen und Patienten sowie das Personal, das sie behandelt, bedürfen eines besonderen Schutzes und einer professionellen Behandlung im Team - es ist nicht akzeptabel, dass hier besonders wenig Personal eingesetzt wird.

Eine Psychiaterin spricht mit einer Patientin

Die ungenügende Personalausstattung führt dazu, dass nur wenige Patientinnen und Patienten in der Erwachsenenpsychiatrie eine intensive psychotherapeutische Behandlung bekommen. Nur zwei Prozent der Patientinnen und Patienten werden in einem Setting behandelt, in dem eine Therapieintensität von mindestens drei Einheiten die Woche sichergestellt ist (das sind z. B. dreimal 25 Minuten psychotherapeutisches Einzelgespräch).

Patientengefährdung zieht Sanktionen nach sich

Ohne Durchsetzungsmaßnahmen wird sich diese unzureichende Personalausstattung nicht ändern – das zeigen die Erfahrungen der vergangenen Jahrzehnte. Deshalb sind ab 2024 für die Häuser, die weniger als 95 Prozent der Mindestvorgabe erfüllen, verhältnismäßige Vergütungskürzungen vorgesehen, die sich nach der Höhe der fehlenden Personalstunden richten.

Mehr Personal verbessert Versorgung und Arbeitsklima

Wie die Krankenhäuser gegensteuern können, zeigen ebenfalls die Ergebnisse – etwa mit der Einstellung von mehr Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten sowie bestimmten Spezialtherapeutinnen und Spezialtherapeuten, die auf dem Arbeitsmarkt gut zu finden sind. Denn gerade die approbierten Absolventen des neuen Studienganges Psychotherapie suchen nach Stellen im Krankenhaus. Die Arbeit im Krankenhaus ist dann für Fachkräfte attraktiv, wenn genügend Personal vorhanden ist, um damit ein den Bedürfnissen der Kranken angemessenes Arbeiten zu ermöglichen. Zusätzlich sollte die ambulante Behandlung ausgebaut werden, um die Krankenhäuser zu entlasten. Intensivpatientinnen und -patienten sollten dagegen mit genügend Personal stationär behandelt werden können. (uwa)

Die zentralen Ergebnisse des Berichts finden Sie zusammengefasst bei Watermann et al.: Mindestpersonalvorgaben in der Psychiatrie: Erste Ergebnisse zur Personalausstattung veröffentlicht. In Gesundheits- und Sozialpolitik 3/2023, S.20-31. Für Abonnenten unter folgendem Link doi.org/10.5771/1611-5821-2023-3-20 einsehbar.

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