In der Notfallsituation außerhalb des Krankenhauses lässt sich die Diagnose Herzinfarkt nicht immer eindeutig stellen [6]. Mithilfe des EKGs kann der Rettungsdienst jedoch die Diagnose oder auch die Verdachtsdiagnose „Akuter Herzinfarkt“ bei einem Herzinfarkt mit typischen EKG-Veränderungen im Sinne einer ST-Streckenhebung (ST-Hebungsinfarkt - STEMI) stellen. Der ST-Hebungsinfarkt (STEMI) grenzt sich ab zum Nicht-ST-Hebungsinfarkt (NSTEMI), bei dem keine typischen Infarktzeichen im EKG zu finden sind. NSTEMI sind in aller Regel kleinere Infarkte, bei denen nur in geringem Umfang Herzmuskelzellen absterben. Die in diesem Artikel beschriebenen Qualitätsindikatoren beziehen sich ausschließlich auf den ST-Hebungsinfarkt.
Therapie
Ziel der Behandlung des akuten Herzinfarktes ist zum einen, dass möglichst wenig Herzmuskelgewebe abstirbt, und zum anderen die Verhinderung von Komplikationen wie z. B. schwerwiegende Herzrhythmusstörungen. Um diese Ziele zu erreichen, muss möglichst schnell eine Wiedereröffnung des verschlossenen Herzkranzgefäßes (Revaskularisation) erfolgen. Dies kann entweder über eine Therapie mit Medikamenten erfolgen, die Blutgerinnsel auflösen (Fibrinolyse), oder mittels einer Katheter-gestützten Wiedereröffnung des Gefäßes im Herzkatheterlabor. Die Katheter-gestützte Wiedereröffnung wird auch als perkutane Koronarintervention (PCI) bezeichnet und ist mittlerweile die zentrale Therapie beim akuten Herzinfarkt. Bei der PCI wird ein Katheter über die Leisten- oder Armarterie bis zum Herzen vorgeschoben und ein Kontrastmittel in die Herzkranzgefäße gespritzt. Mithilfe eines speziellen Röntgengerätes lässt sich darstellen, ob der Blutfluss vollständig oder teilweise unterbrochen ist (Koronarangiographie). Im Anschluss kann das betroffene Gefäß mit einem kleinen Ballon geweitet bzw. wiedereröffnet werden. Dieser ist am Ende des Katheters befestigt, der nun bis zur Verengung des Herzkranzgefäßes geschoben wird. Durch den Ballon kann die Verengung aufgeweitet (Ballondilatation) und bei Bedarf ein Gittergerüst (Stent) zum Erhalt der Öffnung eingesetzt werden [4]. Diese Behandlung des akuten Herzinfarktes erfordert in der Regel eine stationäre Therapie in einer kardiologischen Abteilung.
Bedeutung der Zeit bei der Behandlung
Bereits 20 Minuten nach dem Verschluss des Herzkranzgefäßes kann es zu einem nicht mehr rückgängig zu machenden Absterben von Herzmuskelzellen kommen. Dies kann zu bleibenden Schäden am Herzen oder sogar zum Tod führen. Von entscheidender Bedeutung für den Erfolg der Behandlung ist daher die Zeit bis zur Wiedereröffnung des verschlossenen Gefäßes (Revaskularisation) . Eine schnelle Behandlung verringert die Sterblichkeit an bzw. die Krankheitslast nach einem akuten Herzinfarkt. Der größte Nutzen der Wiedereröffnung des verschlossenen Gefäßes bei einem ST-Hebungsinfarkt wird innerhalb von zwei bis drei Stunden nach Symptombeginn erzielt [5]. „Time is muscle“ („Zeit ist Muskel“, in diesem Fall Herzmuskel) ist ein Leitgedanke, der daher für alle Beteiligten, sei es Patientin oder Patient, Rettungsdienst oder behandelnde Ärztin oder behandelnder Arzt, im Mittelpunkt stehen muss. Für Patientinnen und Patienten mit ST-Hebungsinfarkt erfordert die zeitkritische Behandlung nach Möglichkeit die direkte Zuweisung in eine Klinik mit durchgängig verfügbarem Herzkatheterlabor, damit die Wiedereröffnung des Gefäßes ohne Zeitverzögerung erfolgen kann.
Die Leitlinie der Europäische Gesellschaft für Kardiologie (ESC), die von der deutschen Gesellschaft für Kardiologie übernommen wurde und damit maßgeblich für Deutschland ist, fordert beim ST-Hebungsinfarkt eine Wiedereröffnung des Gefäßes möglichst innerhalb von 90 Minuten, auf jeden Fall aber innerhalb von 120 Minuten nach erstem medizinischen Kontakt. Dabei kann der erste medizinische Kontakt sowohl beim Rettungsdienst oder in der ärztlichen Praxis als auch im Krankenhaus erfolgen. Von der ESC wird empfohlen, Bedingungen zu schaffen, die einen Direkttransport aller Patientinnen und Patienten mit Verdacht auf Myokardinfarkt via Rettungswagen in ein Krankenhaus erleichtern, das rund um die Uhr eine Katheter-gestützte Behandlung anbietet [7].
Übergreifendes Qualitätssicherungsverfahren
Seit 2016 betrachtet das Qualitätssicherungs-Verfahren (QS-Verfahren) „Perkutane Koronarintervention (PCI) und Koronarangiographie“ diese Art von Behandlungen. Da eine PCI sowohl im stationären als auch im ambulanten Rahmen durchgeführt werden kann, handelt es sich somit um ein sektorenübergreifendes QS-Verfahren. Das Verfahren umfasst zwei Qualitätsindikatoren.
Qualitätsindikatoren messen „Door–to–balloon-Zeit“
Die Qualitätsindikatoren zur „Door–to–balloon-Zeit” betrachten den Zeitraum, der zwischen der Ankunft im Krankenhaus einer Patientin bzw. eines Patienten mit der abgesicherten Notfallindikation „akuter Herzinfarkt“ („Door“-Zeitpunkt) und dem notfallmäßigen PCI-Eingriff („Balloon“-Zeitpunkt) liegt [4]. Betrachtet wird somit der Prozess der akuten Notfallbehandlung.
Die Indikatorengruppe „Door-to-balloon-Zeit“ umfasst zwei Qualitätsindikatoren, die seit 2016 für die Qualitätssicherung eingesetzt werden:
- „,Door-to-balloon‘-Zeit bis 60 Minuten bei Erst-PCI mit der Indikation ST-Hebungsinfarkt“ (QI-ID 56003)
- „,Door‘-Zeitpunkt oder ,Balloon‘-Zeitpunkt unbekannt“ (QI-ID 56004)
Betrachtet werden beim Qualitätsindikator „Door-to-ballon-Zeit bis 60 Minuten“ alle Patientinnen und Patienten mit einem akuten ST-Hebungsinfarkt bei Aufnahme, bei denen vor der PCI keine Fibrinolyse durchgeführt wurde bzw. bei denen dies unbekannt ist, und bei denen die PCI die Erstbehandlung darstellt. Es werden Prozeduren mit gültigen Angaben zum „Door“- und „Balloon“-Zeitpunkt berücksichtigt. Der Indikator „,Door‘-Zeitpunkt oder ,Balloon‘-Zeitpunkt unbekannt“ erfasst zudem Fälle ohne verwertbare Angaben zur „Door“- oder „Balloon“-Zeit. Es ist als Qualitätsmerkmal anzusehen, dass diese Zeitpunkte verlässlich dokumentiert werden.
Die Anzahl der Patientinnen und Patienten mit akutem ST-Hebungsinfarkt, bei denen eine PCI innerhalb von 60 Minuten nach Ankunft im Krankenhaus durchgeführt wird (QI-ID 56003), sollte für eine gute Versorgungsqualität möglichst hoch sein. Entsprechend sollte die Anzahl der Patientinnen und Patienten, für die keine Angaben zum Ankunftszeitpunkt („Door“-Zeitpunkt) oder Behandlungszeitpunkt („Balloon“-Zeitpunkt) gemacht wurden (QI-ID 56004), nahezu Null sein, da diese wichtigen Zeiten stets in der Patientenakte stehen sollten [4].
Ergebnisse der Qualitätsindikatoren
In der Tabelle sind die bundesweiten Ergebnisse der Jahre 2018 bis 2021 für beide Qualitätsindikatoren dargestellt. (Aufgrund von Veränderungen in der Berechnung der Indikatoren können die Ergebnisse aus den Jahren 2016 und 2017 nicht mit den Ergebnissen seit 2018 verglichen werden und werden daher hier nicht dargestellt.)