Versichertenbefragung

Ein Autorenbeitrag von Pascal Kaiser

Was erwarten die Versicherten von der ambulanten ärztlichen Versorgung?

Repräsentative Versichertenbefragung der Bevölkerung durch den GKV-Spitzenverband 2022

Dezember 2022

Der GKV-Spitzenverband hat kurz vor der Corona-Pandemie 2019 (Kaiser et al. 2021) und in 2022 jeweils eine umfangreiche Befragung zur Versorgungssituation in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse insbesondere zur ambulant ärztlichen Versorgung, zur Corona-Pandemie und zur allgemeinen Bewertung des Gesundheitswesens werden hier berichtet.

Inhalt

Vorbemerkungen

Die Corona-Pandemie hat das Gesundheitswesen in den letzten drei Jahren einem Härtetest ausgesetzt. Neben der starken Belastung der Krankenhäuser musste sich auch die ambulante ärztliche Versorgung den neuen Bedingungen zügig anpassen. Wie haben die gesetzlich Versicherten das Gesundheitswesen während der Pandemie gesehen und wie zufrieden sind sie damit?

Der GKV-Spitzenverband hat im Frühjahr 2022 eine umfangreiche Bevölkerungsbefragung durch das Marktforschungsunternehmen Ipsos durchführen lassen, die zudem mit den Ergebnissen der Versichertenbefragung kurz vor dem Beginn der Corona-Pandemie 2019 verglichen werden können. Durch diese Fortführung sollen die Erfahrungen und Erwartungen der Versicherten sichtbar gemacht werden.

Dabei wurde schwerpunktmäßig die ambulante ärztliche Versorgung in den Fokus genommen. Daneben wurden die Versicherten auch zu ihrer Meinung zum Gesundheitswesen allgemein und während der Corona-Pandemie befragt. Die Versichertenbefragung lieferte zudem Erkenntnisse zur Versorgung von Covid-19 Infizierten.

2600 Personen, davon 2.240 GKV-Versicherte (Access Panel), wurden repräsentativ (Geschlecht, Alter, Bildung, Netto-Einkommen und Region) im Zeitraum vom 28.2.-11.3.2022 befragt. Zusätzlich wurden weitere 400 Personen mit Covid-19 Erkrankung erhoben. In der Versichertenbefragung 2019 wurden 1.760 GKV-Versicherte befragt (2.000 insgesamt). Die hier berichteten Ergebnisse beziehen sich nur auf die GKV-Versicherten.

Arztkontakte rückläufig und mehr Kontakte mit dem Praxispersonal

Zur Beobachtung der Entwicklung der tatsächlichen Inanspruchnahmehäufigkeit wurde die Zahl der Arzt- und Praxiskontakte in den letzten 12 Monaten (2021/2022) erfragt. Im Vergleich zu der Erhebung 2019 nahm die Anzahl der Praxiskontakte je Patientin bzw. Patient insbesondere bei den Hausarztpraxen von 5,5 auf 5,0 (2021/2022) ab. Der Kontakt auch mit der Hausärztin oder dem Hausarzt nahm gleichfalls zwischen 2019 und 2021/2022 von 4,3 auf 3,3 Kontakte je Patientin bzw. Patient im Jahr stark ab. Die Angaben enthalten nicht die sogenannten Non-User, also diejenigen Versicherten, die keinen Praxisbesuch in 2021/2022 hatten.

Bei den Facharztpraxen (einschließlich Praxen für Psychotherapie) zeigt sich ein differenziertes Bild: Insgesamt ist ein Rückgang bei GKV-Patienten zu beobachten – von 9,5 auf 8,7 Praxiskontakte (2021/2022) – allerdings mit deutlichen Unterschieden zwischen den einzelnen Facharztgruppen, wie z. B. bei kardiologischen Praxen mit einer Zunahme der Praxiskontakte. Der Kontakt je Patientin bzw. Patient auch mit dem Facharzt sank in diesem Zeitraum von 8,6 auf 7,5 Kontakte im Jahr noch deutlicher als die Praxiskontakte.

Eine Frau gibt ihre Versichertenkarte an einem Tresen einer anderen Frau.

Sinkende Kontaktzahlen in den Arztpraxen entsprechen grundsätzlich dem allgemeinen langjährigen Trend beim sozio-ökonomischen-Panel des DIW und der Entwicklung im Gesundheitsmonitor der Bertelsmann Stiftung. Dieser allgemeine Trend scheint durch die zurückhaltende Inanspruchnahme der Patientinnen und Patienten während der Corona-Pandemie noch verstärkt worden zu sein. In welchem Umfang sich die Arztkontakte ggf. wieder erhöhen werden, ist derzeit schwer zu beurteilen. 68 Prozent der Versicherten geben an, dass sie ihr Inanspruchnahmeverhalten zukünftig kaum verändern werden. Allerdings würden 18 Prozent sogar (eher) seltener und nur 7 Prozent (eher) öfter eine Arztpraxis aufsuchen.

Neben dem allgemeinen Rückgang der Kontakte mit der Arztpraxis ergab sich noch eine weitere Auffälligkeit. In der Versichertenbefragung wird unterschieden nach der Art des Kontakts mit dem Praxispersonal und/oder dem Arzt bzw. der Ärztin. Hierbei zeigt sich im Vergleich zur Versichertenbefragung 2019, dass der Kontakt nur mit dem Praxispersonal deutlich zunahm, während der Kontakt auch mit dem ärztlichen Personal abnahm.

Abbildung 1:

Eine Grafik zur Häufigkeit des Kontakts mit dem Praxispersonal

Eine mögliche Erklärung für diese Entwicklung könnte die Verschiebung der Struktur der Leistungen (Impfungen/Tests) sein, die z. T. durch das Praxispersonal durchgeführt werden. Die Substitution des Arztkontaktes durch den häufigeren Kontakt mit dem Praxispersonal müsste zu einer geringeren zeitlichen Belastung der Ärztin oder des Arztes führen und damit mehr Zeit für die Behandlung der Patientinnen und Patienten ermöglichen. Wie noch dargestellt werden wird, zeigen sich zumindest für die Dauer der Arztgespräche keine wesentlichen Veränderungen.

Inwiefern der Rückgang der Arztkontakte gesundheitliche Effekte hat, kann durch die Versichertenbefragung nicht abschließend beurteilt werden. Die in die Versichertenbefragung einbezogene allgemeine subjektive Bewertung des Gesundheitszustands weist zumindest darauf hin, dass es in dieser kurzen Zeitspanne insgesamt zu keiner erkennbaren gesundheitlichen Verschlechterung gekommen ist. Auch bei der Häufigkeit der chronischen Krankheiten ergeben sich keine signifikanten Veränderungen.

Dauer der Betreuung der Patientinnen und Patienten durch eine Arztpraxis

Die Versichertenbefragung berichtet auch über die Dauer der Betreuung durch die Arztpraxis. Im Vergleich zu den Ergebnissen der Versichertenbefragung 2019 ist ein leichter Anstieg des Anteils der Patientenanzahl mit einer längeren Praxisbindung (über fünf Jahre) zu beobachten. Zudem blieb der Anteil derjenigen Patientinnen und Patienten, die weniger als ein Jahr bzw. noch nie in Behandlung bei der Praxis waren, annähernd stabil – diese lag bei hausärztlichen Praxen bei knapp 13 Prozent und bei fachärztlichen Praxen anteilsmäßig bei 30 Prozent.

Was ist den Versicherten bei der Arztauswahl wichtig?

Kompetentes und freundliches Praxispersonal hat bei den Versicherten in Bezug auf die Bewertung von relevanten Merkmalen bei der Arztauswahl die höchste Priorität. Fast gleichrangig sind „gute Praxisorganisation“, „Vertrauensverhältnis zum Arzt“ und die „telefonische Erreichbarkeit“ (Darstellung 2). Von geringerer Bedeutung sind die Bewertung im Internet, Hausbesuche und das Angebot einer Videosprechstunde. Gegenüber der Versichertenbefragung 2019 hat sich die Bewertung dieser Aspekte kaum verändert.

Abbildung 2:

Grafik zu den Kriterien der Versicherten bei der Praxiswahl

Terminvermittlung Arztpraxen: Telefonische Erreichbarkeit, Terminservicestellen und Onlineterminvergabe

Die Versichertenbefragung zeigt, dass die telefonische Terminvermittlung immer noch die von den Versicherten am häufigsten gewählte Form der Terminvereinbarung ist. Daneben spielt insbesondere bei Hausärztinnen und Hausärzten der direkte persönliche Zugang ohne Terminvereinbarung eine bedeutende Rolle.

Die Terminvermittlung von Arztpraxen wird seit Jahren von der Politik als Problem gesehen. Auch in dieser Versichertenbefragung zeigt sich, dass die Versicherten hier grundsätzliche Verbesserungen wünschen. Auf diese Problematik hat der Gesetzgeber bereits 2016 mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) reagiert und die Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) beauftragt, zur besseren Vermittlung sog. Terminservicestellen anzubieten. Bereits die Versichertenbefragung 2019 des GKV-Spitzenverbandes hat gezeigt, dass die Terminservicestellen der KVen von den Versicherten positiv bewertet werden. Aber nicht allen Versicherten ist dieses Angebot auch bekannt. Obwohl eine positive Einstellung vorhanden ist, werden nur wenige Vermittlungen (ca. ein Prozent) zu haus- und fachärztlichen Praxen über die Terminservicestellen der KVen vorgenommen.

7 Prozent der Befragten nutzen Onlineterminvermittlung beim Facharzt bzw. bei der Fachärztin und 5 Prozent in der hausärztlichen Versorgung. Diese bisher überschaubare Nutzung der Onlinevermittlung steht aber nicht überall zur Verfügung: 49 Prozent der hausärztlichen und 51 Prozent der fachärztlichen Praxen bieten keine Onlineterminvermittlung an. Zudem haben 36 Prozent bzw. 34 Prozent der Versicherten bei Haus- bzw. Fachärztinnen und -ärzten kein Interesse an dieser Vermittlungsform.

Auch bei der Digitalisierung sind viele Versicherte zurückhaltend: Nur 31 Prozent der Versicherten halten eine Terminvergabe über das Internet oder eine App für (sehr) wichtig, 31 Prozent geben „Teils-teils“ an und 39 Prozent halten diese für (völlig) unwichtig. Diese Zurückhaltung könnte sich auch daraus erklären, dass das Interesse an einer telefonischen Erreichbarkeit der Arztpraxis weiterhin eine hohe Priorität für die Versicherten hat (siehe Abbildung 2). Etwas positiver bewerten Nutzer die neuen Vermittlungs- und Informationsmöglichkeiten (Arztsuch- und Bewertungsportale) generell. 47 Prozent halten diese für „sehr wichtig“/“wichtig“, aber auch hier sind 24 Prozent skeptisch (Bewertung: „weniger wichtig“/“unwichtig“) und 29 Prozent nutzen diese nicht.

Ein ähnliches Bild ergibt sich in Bezug auf die besonders seit Beginn der Corona-Pandemie stark diskutierten Videosprechstunden bei der Ärztin / beim Arzt. Diese ist bei der Bewertung der Arztpraxis eher von geringer Relevanz, doch bewerten 82 Prozent der Nutzerinnen und Nutzer von Videosprechstunden diese sehr positiv. Insgesamt besteht also noch erheblicher Bedarf, die Versicherten an neue digitale Angebote und Technologien heranzuführen und das Angebot in den Arztpraxen zu erweitern.

Zugang zu hausärztlichen Praxen

Hausarztpraxen sind oft die ersten Anlaufstationen in unserem mehrstufigen Versorgungssystem und so verwundert es nicht, dass ca. 85 Prozent der Versicherten mindestens einen Kontakt mit dem Hausarzt / der Hausärztin 2021/2022 hatten. Insofern blieb der Kontakt zwischen Patientin bzw. Patient und dem ärztlichen Personal insgesamt bestehen, auch wenn die Kontaktfrequenz im Durchschnitt abnahm bzw. verstärkt das nichtärztliche Praxispersonal diese Funktion übernahm.

Die Terminwartzeiten bei hausärztlichen Praxen sind bereits mit rund vier Tagen im Durchschnitt und einem Tag im Median sehr niedrig und gegenüber 2019 stabil geblieben. Insofern waren die Befragten daher insgesamt mit den Terminwartezeiten zufrieden. Für 51 Prozent entsprechen die Terminwartezeiten genau den „eigenen Wünschen“ und für 34 Prozent sind die Termine „noch akzeptabel“, während 15% hiermit unzufrieden sind. Die geringere Nachfrage (Arztkontakte) könnte auch die beobachteten etwas geringeren Wartezeiten in der Arztpraxis erklären.

Zugang zu fachärztlichen Praxen

Bei den Fachärztinnen und –ärzten nahmen die direkten ärztlichen Kontakte ebenso wie bei den hausärztlichen Praxen ab. Demgegenüber stiegen die Kontakte ausschließlich zum Praxispersonal auch in den Facharztpraxen deutlich an. Bezogen auf die Terminwartezeiten ergibt sich aber ein sehr uneinheitliches Bild. Während in den wichtigen Arztgruppen Frauenheilkunde, Chirurgie und HNO die Terminwartezeiten gegenüber der Versichertenbefragung 2019 sogar anstiegen, verringerten sich diese bei einigen Arztgruppen (z. B. Facharztpraxen Onkologie und Augenheilkunde). Für weitere Arztgruppen sind die Ergebnisse im Vergleich zu den Terminwartezeiten 2019 nicht signifikant unterschiedlich. Vor diesem Hintergrund sind auch für die Fachärztinnen und Fachärzte insgesamt keine versorgungsverbessernden Effekte aus den umfangreichen Steuerungsanreizen des TSVG – Erweiterung Praxissprechzeiten, Neupatientenregelung, Angebot offener Sprechstunden, Vermittlung durch Terminservicestellen und Vermittlung von Facharztterminen durch hausärztliches Personal - erkennbar. Die Ergebnisse zeigen aber auch, dass ebenso wie 2019 insgesamt annähernd vier von fünf Versicherten innerhalb von drei Wochen einen Facharzttermin erhalten.

Der Anteil derjenigen, die die Terminwartezeiten für fachärztliche Praxen als (viel) zu lang bewerten, nahm zwischen 2019 und 2022 geringfügig von 29 Prozent auf 26 Prozent ab und passt in einen längeren Trend, der bereits gegenüber der Versichertenbefragung 2015 des Gesundheitsmonitors der Bertelsmann Stiftung zu beobachten war; 2015 lag dieser Anteil der mit den Terminwartezeiten Unzufriedenen noch bei 34 Prozent. Jeweils 37 Prozent bewerteten die Terminwartezeiten 2022 als „genau meinen Wünschen entsprechend“ bzw. als „akzeptabel“ (2019: 31 Prozent bzw. 40 Prozent und 2015: 27 Prozent bzw. 38 Prozent).

Terminwartezeiten nach Kennzahlen (Alter, Geschlecht, Schicht, Gesundheitszustand)

Für einschlägige sozio-ökonomische Merkmale (Geschlecht, Schichtzugehörigkeit oder dem allgemeinen subjektiven Gesundheitszustand) ergeben sich insgesamt keine signifikanten Unterschiede bei den Terminwartezeiten von Fach- und Hausärztinnen und -ärzten. Signifikant längere Terminwartzeiten haben chronisch kranke Patientinnen und Patienten in beiden Versichertenbefragungen 2019 und 2021/2022. Diese Abweichung ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass chronisch Erkrankte längerfristig ihren Arztbesuch planen und Arztpraxen bei Akutkranken aufgrund der Dringlichkeit zügiger Termine vergeben. Für diese Annahme spricht, dass chronisch kranke Patientinnen und Patienten eher zufriedener mit den Wartezeiten als nicht chronische Erkrankte.

Dauer des Arztgesprächs liegt im Durchschnitt bei ca. 15 Minuten

Für die Beurteilung der Prozessqualität der ärztlichen Behandlung ist u. a. die Dauer des Arztgespräches in Bezug auf den letzten Arztkontakt erhoben worden. Bei hausärztlichen Praxen liegt die Dauer des Arztgespräches nach Angabe der Befragten mit rund 15 Minuten im Mittelwert (Median 10) etwas unterhalb derjenigen der Fachärztinnen und Fachärzte mit knapp 17 Minuten (Median 15) und hat sich gegenüber der Versichertenbefragung 2019 und dem Gesundheitsmonitor der Vorjahre nicht signifikant verändert. Von den Versicherten wird die Dauer des Hausarztgesprächs von 78 Prozent und bei den fachärztlichen Praxen von 79 Prozent als „gerade richtig“ eingeschätzt, aber 15 Prozent bei Haus- und 16 Prozent bei Fachärztinnen und Fachärzten bewerten die Gesprächsdauer beim letzten Arztbesuch als „etwas zu kurz“ oder „viel zu kurz“. In dieser Versichertenbefragung zeigt sich auch, dass die Unzufriedenheit geringer ausfällt, je konkreter der Arztbezug ist – hier die zuletzt behandelnde Ärztin bzw. der Arzt.

Die Ergebnisse zur Dauer des Arztgesprächs verdeutlichen, dass kurze Arzt-Patienten-Gespräche nicht der Regelfall ist. Dementsprechend geben nur 15 Prozent der Befragten bei Fachärztinnen und Fachärzten an, dass die Dauer des Arztgesprächs bei fünf Minuten oder weniger lag und bei hausärztlichem Personal betrifft dies nur rund 17 Prozent.

Zufriedenheit mit dem behandelnden ärztlichen Personal ist insgesamt hoch

Die insgesamt recht große Zufriedenheit der Versicherten mit der behandelnden Ärztin bzw. dem behandelnden Arzt hat sich im Vergleich zu 2019 noch weiter erhöht. Nur jeweils fünf Prozent sind mit ihrem zuletzt behandelnden Haus- bzw. Facharzt oder der Haus- bzw. Fachärztin unzufrieden. Gegenüber der Versichertenbefragung 2019 hat sich die beste Bewertung zur Zufriedenheit „vollkommen zufrieden“ bei haus- und fachärztlichen Praxen sogar noch weiter verbessert. Dieser Anteil liegt bei hausärztlichem Personal bei 43 Prozent (2019: 35 Prozent) und bei Fachärztinnen und -ärzten bei 40 Prozent (2019: 31 Prozent). In Bezug auf die Hausärztinnen und -ärzte wird von den Versicherten zudem auch die „Stärkung der Hausarztversorgung“ gewünscht: 75 Prozent bewerten diese als „wichtig“/“sehr wichtig“.

Ausbau der Öffnungs-/Sprechstundenzeiten wird von der Mehrheit der Versicherten gewünscht

Bereits in der Versichertenbefragung 2019 zeigte sich, dass die Versicherten eine Erweiterung der Praxisöffnungszeiten wünschten. Diese Ergebnisse finden sich auch in der Versichertenbefragung 2022 wieder. Im Vordergrund stehen dabei die Öffnungszeiten Mittwoch- und Freitagnachmittag, die besonders viel Zuspruch (46 Prozent bzw. 44 Prozent) insbesondere bei den Erwerbstätigen (52 Prozent bzw. 50 Prozent) finden, siehe Abbildung 3. Die Öffnungszeiten am Wochenende oder in den Abendstunden werden zwar nicht von der Mehrheit, aber immerhin von ca. 15-30 Prozent der Versicherten gewünscht, was einer relevanten Nachfrage entspricht. Das große bestehende Interesse wird auch daran deutlich, dass insgesamt 58 Prozent der Versicherten eine allgemeine Verbesserung der Praxisöffnungszeiten wünschen, 27 Prozent diese als „Teils-teils“ einschätzen und nur 7 Prozent dies für nicht wichtig ansehen (siehe Abbildung 6).

Abbildung 3:

Eine Grafik zu den Erwartungen der Öffnungszeiten von Arztpraxen

Ärztlicher Bereitschaftsdienst mit Verbesserungspotenzial

Die Sicherstellung der ambulanten ärztlichen Versorgung obliegt den KVen (§ 75 SGB V). Die KVen bieten deshalb mit ihren Mitgliedern zusammen den sog. ärztlichen Bereitschaftsdienst insbesondere für Zeiten außerhalb der üblichen Öffnungs-/Sprechzeiten der Arztpraxen an. Die Versichertenbefragung zeigt, dass immerhin 34 Prozent derjenigen, die statt der Notaufnahme eines Krankenhauses sich auch ambulant behandeln ließen, angaben, keine guten Erfahrungen mit dem ärztlichen Bereitschaftsdienst der KVen gemacht zu haben. Entsprechend würden sich auch nur 26 Prozent der Befragten im Notfall an den ärztlichen Bereitschaftsdienst wenden, aber immerhin 21 Prozent würden sich gleich in die Notaufnahme der Krankenhäuser begeben und 12 Prozent wenden sich an den Rettungsdienst (112). Auch in Bezug auf die Zufriedenheit ergibt sich ein eher durchwachsenes Bild: 55 Prozent sind „sehr zufrieden“/“zufrieden“ mit dem ärztlichen Bereitschaftsdienst, aber „Teils-teils“ 30 Prozent und 15 Prozent sind unzufrieden.

Unnötige Inanspruchnahme der Notaufnahmen von Krankenhäusern

In den letzten Jahren wurde viel Kritik an der zu starken Inanspruchnahme der Krankenhausnotaufnahmen geübt. Die Versichertenbefragung zeigt, dass während der Corona-Pandemie weiterhin ein bedeutender Teil der Befragten die Notaufnahmen der Krankenhäuser aufsuchte (15 Prozent). Dabei geben 46 Prozent dieser Versicherten an, dass ihre Beschwerden auch ambulant hätten behandelt werden können. Als Gründe für die Inanspruchnahme der Notaufnahme werden von denjenigen mit einer Präferenz für die ambulante Behandlung neben der Dringlichkeit der Behandlung (41 Prozent) angegeben, dass die Arztpraxen bereits geschlossen waren (53 Prozent), man keine gute Erfahrung mit dem ärztlichen Bereitschaftsdienst machte (34 Prozent) oder die Arztpraxen eben kurzfristig keinen Termin vergeben habe (35 Prozent). Nur sechs Prozent gaben an, dass sie der medizinischen Versorgung im Krankenhaus mehr vertrauen. Auch zukünftig würde die Mehrheit eher eine Arztpraxis aufsuchen. Aus diesen Angaben wird deutlich, dass eine Verbesserung des ambulanten Angebotes auch die Inanspruchnahme der Krankenhausnotaufnahmen beeinflussen könnte. Hierunter fallen neben den Öffnungszeiten die Terminvermittlung und der ärztliche Bereitschaftsdienst.

Das solidarische Gesundheitssystem hat sich während der Corona-Pandemie bewährt

Die Ergebnisse zur Bewertung der Gesundheitsversorgung in der Corona-Pandemie zeigen eine große Zufriedenheit der Versicherten mit dem Gesundheitswesen. Dies betrifft neben der haus- und fachärztlichen Versorgung, die Krankenhausversorgung und das solidarische Gesundheitssystem insgesamt (69 Prozent). Dies ist erfreulich, denn die Anforderungen und Erwartungen an das Gesundheitswesen waren enorm. Ein Wermutstropfen ist, dass immerhin 45 Prozent der Befragten der Ansicht sind, dass die Qualität der medizinischen Versorgung während der Corona-Pandemie gelitten hat.

Abbildung 4:

Eine Grafik zu den Einschätzungen des Gesundheitswesens in der Corona-Pandemie

Versorgung von Covid-19-Erkrankten

Im Rahmen der Untersuchung der Leistungsfähigkeit des Gesundheitswesens während der Pandemie wurde auch nach der konkreten Versorgung der Covid-19-Patientinnen und -Patienten gefragt. Es zeigt sich, dass die Abklärung der Infektion im Wesentlichen durch die Hausarztpraxen (45 Prozent) und die Testeinrichtungen (26 Prozent) erfolgte.

Es wurde zudem danach gefragt, was aus Sicht der Covid-19-Erkrankten nicht so gut gelaufen ist (Mehrfachnennungen waren möglich). 31 Prozent verweisen auf die schwere Erreichbarkeit der Arztpraxen, 30 Prozent auf die der Gesundheitsämter, 25 Prozent hatten Probleme mit der Terminvergabe und 23 Prozent sind unzufrieden mit den Öffnungszeiten der Arztpraxen. Die konkrete Versorgung durch den behandelnden Arzt oder die behandelnde Ärztin sehen 13 Prozent als problematisch an, die Kenntnis des Arztes/der Ärztin zu Covid-19 fanden 12 Problem problematisch und 15 Prozent benennen Schwierigkeiten mit der Abklärung der Infektion. Immerhin 28 Prozent der Befragten sind vollkommen zufrieden.

Erwartungen an das Gesundheitswesen: Zusammenarbeit Versorgungseinrichtungen verbessern

Der grundsätzlich positiven Bewertung des Gesundheitssystems während der Corona-Pandemie entspricht auch die Entwicklung der Zufriedenheit der Versicherten mit der Gesundheitsversorgung über einen längeren Zeitraum. Im Vergleich zur Versichertenbefragung 2019 haben sich die Zufriedenheitswerte gleichfalls verbessert: 58 Prozent der Versicherten sind „sehr zufrieden“/“zufrieden“ und nur 10 Prozent sind „sehr unzufrieden“/“etwas unzufrieden“ mit der Gesundheitsversorgung 2022.

Abbildung 5:

Grafik zur Zufriedenheit der Versicherten mit dem Gesundheitswesen

Eine Verbesserung der Zusammenarbeit der Ärztinnen und Ärzte wünschen sich 64 Prozent, 74 Prozent die Vermeidung von steigenden Beitragssätzen. Die Überprüfung von ärztlichen Behandlungsfehlern sehen 70 Prozent als „sehr wichtig“/“eher wichtig“ an. Zudem sollte aus Sicht von Zwei Dritteln der Versicherten die Zusammenarbeit zwischen den Arztpraxen und den Krankenhäusern verbessert werden.

Abbildung 6:

Grafik zu den Erwartungen der Versicherten zum Gesundheitswesen

Um noch eine grundsätzliche Sichtweise der Befragten zu ermitteln, wurden weitere Aspekte der Kritik der Versicherten an der ambulanten ärztlichen Versorgung zusätzlich erfragt. Als Probleme der ärztlichen Versorgung sehen 35 Prozent der Versicherten die „telefonische Erreichbarkeit“ der Arztpraxen und 19 Prozent kritisieren die fehlende Sorgfalt bzw. Gründlichkeit der ärztlichen Untersuchung. Besonders kritisch (telefonische Erreichbarkeit und Sorgfalt/Gründlichkeit) sind Frauen und Patientinnen bzw. Patienten mit einem schlechteren subjektiven Gesundheitszustand. Mit allen Aspekten der ärztlichen Versorgung sind aber immerhin 36 Prozent zufrieden, aber auch hier sind Frauen (31 Prozent) und zudem Patientinnen bzw. Patienten mit einem subjektiv schlechteren Gesundheitsstatus („schlecht“: 21 Prozent) schwächer vertreten (Abbildung 7).

Abbildung 7:

Grafik zu den Erwartungen der Versicherten zur ambulanten Versorgung

Fazit

Durch die umfassende Befragung von Versicherten konnte eine Vielzahl von Facetten der ambulanten ärztlichen Behandlung aus Patientenperspektive beleuchtet werden. Insbesondere durch die Nutzung digitaler Befragungstechniken (Access-Panel) war es möglich, den Umfang und die Detailgenauigkeit der Versichertenbefragung zu erhöhen, ohne dabei Nachteile bei der Qualität der Erhebung befürchten zu müssen. Durch die Fortführung der Versichertenbefragung können auch langfristige Effekte ermittelt bzw. Vergleiche vorgenommen werden. Dies betrifft insbesondere die Anzahl der Arztkontakte nach Arztgruppen, die in dieser Form einmalig ist, Terminwartezeiten und Dauer Arztgespräch, die gleichfalls nach Arztgruppen erhoben werden sowie differenzierte Bewertungen dieser Angaben.

Die hier vorgestellten Ergebnisse zeigen, wie die Versicherten die ambulante ärztliche Versorgung bewerten. So ergibt sich ein eher uneinheitliches Bild bei Fragen des Zugangs zu Arztpraxen. Während die Befragten generell zufrieden mit der haus- und fachärztlichen Versorgung sind, zeigen sich Verbesserungspotenziale z. B. bei den Sprech-/Öffnungszeiten der Arztpraxen oder der Erreichbarkeit. Auch die seit Jahrzehnten diskutierten Probleme der Zusammenarbeit zwischen haus- und fachärztlichen Praxen sowie ambulanter Ärzteschaft und Krankenhäusern bestehen weiter fort. Für beide Versorgungsbereiche gilt, die insgesamt hohen Zufriedenheitswerte der Patientinnen und Patienten mit ihrer behandelnden Ärztin bzw. ihrem behandelnden Arzt stellen eine gute Ausgangsbasis für weitere Verbesserungen dar.

Sehr erfreulich sind zudem die guten Bewertungen der Versicherten zum solidarischen Gesundheitswesen und zur Gesundheitsversorgung insgesamt. Sie zeigen auch, dass das Gesundheitswesen den „Stresstest“ der Corona-Pandemie gut bestanden hat.

Literatur:

Kaiser et al. (2021): Was erwarten die Versicherten von der ambulanten ärztlichen Versorgung? In: Gesundheits- und Sozialpolitik, 2/2021, S. 16 ff

Bertelsmann Stiftung (2020): Public Reporting im ambulanten Sektor, Spotlight Gesundheit, 2/2020, Gütersloh

Über den Autor

Pascal Kaiser

Pascal Kaiser, Fachreferent beim GKV-Spitzenverband

Pascal Kaiser ist Fachreferent im Stabsbereich Vertragsanalyse beim GKV-Spitzenverband. Er beschäftigt sich schwerpunktmäßig als Volkswirt mit der ambulanten ärztlichen Versorgung.

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