Krankenhaus

Gezielte Unterstützung für Pädiatrie und Geburtshilfe notwendig

September 2022

Die vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) eingerichtete Krankenhaus-Kommission hat am 8. Juli 2022 erste Empfehlungen für eine kurzfristige Reform der stationären Vergütung für Pädiatrie, Kinderchirurgie und Geburtshilfe überreicht. Nun muss sich Bundesgesundheitsminister Lauterbach zwischen vier Finanzierungsmodellen entscheiden, wie eine kurzfristige und im Koalitionsvertrag vereinbarte „auskömmliche Finanzierung“ aussehen kann. Aus Sicht des GKV-Spitzenverbandes steht fest, dass die beabsichtigten Investitionen nicht in strukturerhaltende Modelle fließen dürfen, sondern in Versorgungsstrukturen, die am konkreten medizinischen Bedarf orientiert sind.

Handlungsbedarf bestätigt

Die zuständige Arbeitsgruppe der Krankenhaus-Kommission bestätigt in ihrer Stellungnahme den auch vom GKV-Spitzenverband bereits formulierten dringenden Handlungsbedarf zur auskömmlichen Finanzierung der Pädiatrie und Geburtshilfe. Insbesondere der ökonomische Druck und andere Fehlanreize haben zu einer Steigerung der Fallzahlen bei gleichzeitigem Abbau der betreibbaren Betten in der Pädiatrie geführt, so die Kommission. Im Bereich der Geburtshilfe wurden im Jahr 2020 an 120 Standorten der Krankenhäuser mit Geburten weniger als 500 Geburten pro Jahr erbracht. Diese Geburtenzahl gilt laut Kommissionsbericht als Schwelle, bei deren Unterschreitung weder die Versorgungsqualität noch die Wirtschaftlichkeit gesichert sind.

Vier Finanzierungsmodelle zur Auswahl

Die Krankenhaus-Kommission hat vier Modelle erarbeitet, welche eine kurzfristige Mittelvergabe ermöglichen und die Abteilungen in den Kliniken vom ökonomischen Druck entlasten sollen. Die beabsichtigte kurzfristige, in der Höhe nicht näher bezifferte Mittelvergabe soll ab dem 1. Januar 2023 unabhängig von den Ergebnissen der Budgetverhandlungen und leistungsunabhängig vergeben werden. Folgende Finanzierungsmodelle sind in der Stellungnahme näher ausgeführt:

Mit Modell A sollen abteilungsindividuelle Erlöse der Pädiatrie auf Basis des Vorpandemiejahres 2019 fortgeschrieben und die Erlössummen für das Jahr 2023 um einen prozentualen Anteil gesteigert werden.

In Modell B soll eine Verteilung der Mittel nach betreibbaren pädiatrischen Betten erfolgen (Variante 1). Dabei wird ein bundeseinheitlich festzulegender Basisvorhaltefaktor je Bett mit abteilungsspezifischen Anpassungsfaktoren je nach Bedarfsnotwendigkeit, Umfang des Behandlungsangebotes oder der Erfüllung bzw. Nichterfüllung von Qualitäts- und Strukturvorgaben multipliziert.

In Variante 2 soll der Basisvorhaltefaktor je Bett nach Schwerpunktvorhaltefaktoren (z. B. Neonatologie, Kinderonkologie oder Kinderorthopädie) weiter differenziert werden.

Modell C stellt eine gänzlich andere Herangehensweise dar. Maßgeblich ist hier der konkrete medizinische Bedarf der Bevölkerung. Für jede Abteilung der Pädiatrie wird dabei die Größe der fachspezifisch zu versorgenden Bevölkerung (Indexbevölkerung) festgelegt. Über diesen Bevölkerungsbezug wird in der Folge die Versorgungsstruktur einer Region definiert. Die Auszahlung der Finanzmittel erfolgt pro Kopf der je fachspezifisch zugeordneten Indexbevölkerung.

Die leistungsunabhängige Vergütung nach Modell D soll aus einer Kombination der Modelle B und C vergeben werden.

In der Geburtshilfe sieht die Krankenhaus-Kommission lediglich eine Mittelzuweisung an Abteilungen vor, deren Standorte Anspruch auf Sicherstellungszuschläge haben. Die Auszahlung soll gestaffelt nach der Anzahl der Geburten pro Jahr erfolgen. Eine erhöhte finanzielle Förderung sollen dabei Abteilungen erhalten, die eine geringe Zahl an Geburten erbringen. Standorte mit angegliederter Pädiatrie sollen ebenso eine erhöhte Vergütung erhalten.

Pädiatrie und Geburtshilfe bedarfsorientiert finanzieren

Im Vergleich schafft nur das Modell C die Basis für eine nachhaltige Reform der Pädiatrie. Während die Modelle A (Erlösfortschreibung) und B (Bettenbezug) das Verteilungsproblem nicht adressieren und bestehende Strukturen erhalten, erfolgt mit Modell C (Indexbevölkerung) eine am regionalen Bedarf ausgerichtete Vorhaltefinanzierung. Der GKV-Spitzenverband unterstützt diesen nachfrageseitigen Ansatz, da die Mittel gezielt dort eingesetzt werden, wo sie benötigt werden.

Mindeststandards unabdingbar

Für eine nachhaltige Reform der pädiatrischen Versorgungsstruktur mit dem Ziel einer qualitativ hochwertigen und wirtschaftlichen Versorgung ist deren Finanzierung unabdingbar mit der Erfüllung qualitativer Mindeststandards zu verknüpfen. Aus Sicht des GKV-Spitzenverbandes sind dabei Mindestanforderungen an die Kapazitäten für medizinisches Fachpersonal von besonderer Bedeutung. Im Interesse des Schutzes der Patientinnen und Patienten muss eine Verletzung dieser Mindeststandards Konsequenzen für die Planung und Vergütung haben. Für einen zielgerichteten Einsatz der Finanzmittel und rechtssichere Planbarkeit ist eine gleichzeitige Festlegung dieser Vorgaben überaus wünschenswert.

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Bevölkerungsbezug auch in der Geburtshilfe

Die Empfehlungen der Krankenhaus-Kommission im Bereich Geburtshilfe bieten keine nachhaltigen Lösungen zu den beschriebenen Herausforderungen. So werden die mit dem identifizierten Personalmangel oder der geringen Geburtenzahl begründete Abnahme der Versorgungsqualität bzw. temporäre Kreissaalschließungen nicht gelöst. Die vorgeschlagene gestaffelte Mittelzuweisung nach Anzahl der Geburten erhält die bestehende Struktur. Eine erhöhte Vergütung von geburtshilflichen Kliniken, an deren Standort auch eine Fachabteilung für Kinder- und Jugendmedizin vorgehalten wird, ist dagegen ein wichtiger Schritt für die Verbesserung der Versorgung der Patientinnen und Patienten, weil im Bedarfsfall die pädiatrische Kompetenz zeitnah vor Ort verfügbar ist. Der GKV-Spitzenverband regt an, das Konzept in der angekündigten Reformstufe an der zu versorgenden Bevölkerung (Anzahl der Frauen im gebärfähigen Alter) weiterzuentwickeln, um auch hier einen Bevölkerungsbezug herzustellen.

Nachhaltige Finanzierung sicherstellen

Wenig präzise bleibt die Stellungnahme bezüglich der Höhe sowie der Herkunft der Finanzierung. Denkbar ist laut Kommission eine Erhöhung der Leistungen der gesetzlichen und privaten Krankenversicherung (und Beihilfe), eine Finanzierung aus Bundesmitteln oder eine Kombination aus beiden. Hier muss hervorgehoben werden, dass die gesetzlichen Krankenkassen derzeit bereits die Vorhalteaufwendungen der Krankenhäuser über Fallpauschalen finanzieren, obwohl Vorhaltung als Teil der Daseinsvorsorge grundsätzlich in den Verantwortungsbereich der Länder fällt. Angesichts der jahrelang zu beobachtenden unzureichenden Mittelzuwendung seitens der Länder ist ein finanzielles Engagement des Bundes sinnvoll und notwendig, um einhergehend mit einer nachhaltigen Finanzierung tragfähige und qualitativ hochwertige Versorgungstrukturen bundeseinheitlich festzulegen. (rba)

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