Implantateregister-Errichtungsgesetz

Beschleunigte G-BA-Beratungen gefährden Patientensicherheit

Oktober 2019

Am 26. September 2019 hat der Deutsche Bundestag das Implantateregister-Errichtungsgesetz beschlossen. Neben der namensgebenden Errichtung eines Implantateregisters beinhaltet das Gesetz auch weitreichende Änderungen für die Methodenbewertung im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA). Diese dienen offenbar dazu, Innovationen möglichst schnell und ohne ausreichende Qualitätssicherung in die Patientenversorgung zu bringen. Dies weicht das Sozialrecht auf und birgt Gefahren für Patientinnen und Patienten.

Kontroverse Anhörung im Bundestag

Bei der Anhörung im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages zum Implantateregister-Errichtungsgesetz am 24. Juni 2019 hatten die geladenen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Verbandsvertreterinnen und -vertreter zentrale Regelungen vehement kritisiert: Der ursprüngliche Plan, den G-BA bei der Methodenbewertung von Innovationen einer Fachaufsicht des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) zu unterwerfen, wurde nach der Anhörung glücklicherweise fallengelassen. Auch völlig unrealistische und den Grundprinzipien einer wissenschaftlich begründeten Studienplanung widersprechende Vorgaben und Fristsetzungen wurden zumindest abgemildert. Die Beratungsdauer für ein Methodenbewertungsverfahren im G-BA wird künftig auf zwei Jahre beschränkt. Bei drohender Fristüberschreitung müssen die unparteiischen Mitglieder des G-BA-Planums einen Richtlinientext vorlegen. Da gleichzeitig die komplizierten doppelten Anhörungsschleifen bei der Beratung nicht maßgeblich reduziert wurden, wird dies den G-BA vor große Herausforderungen stellen.

BMG kann G-BA Verfahrensregeln diktieren

Bei einem zentralen Punkt des Gesetzgebungsverfahrens haben das BMG und das Parlament jedoch nicht auf die von fast allen Seiten vehement vorgetragene Kritik reagiert: Es bleibt dabei, dass das BMG ermächtigt wird, dem G-BA künftig in einer Verordnung die Verfahrensregeln bei der Methodenbewertung vorzuschreiben. Diese Verordnungsermächtigung ist völlig offen formuliert. Sie nimmt nicht, wie z. B. die analoge Verordnungsermächtigung zur Arzneimittelfrühbewertung, auf die internationalen Standards der evidenzbasierten Medizin Bezug. Dies begründet die Befürchtung, dass die Bewertungsstandards, die bisher primär die Patientensicherheit im Blick haben, künftig aufgeweicht werden sollen.

Eine Frau hält ein Hüpftimplantat

Qualitätsgebot für Krankenhäuser aufgeweicht

Völlig überraschend kam mit einem erst wenige Tage vor der abschließenden Beratung im Bundestag eingebrachten Änderungsantrag noch eine neue Regelung in das Gesetz: Künftig wird für alle Krankenhausbehandlungen nur noch gefordert, dass sie das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten. Potenzial bedeutet: Die Methode könnte vielleicht nützlich sein, eine sichere Aussage ist aber (noch) nicht möglich. Mit diesem grundlegenden Eingriff in das Sozialrecht weicht der Gesetzgeber das Qualitätsgebot im Krankenhaus maßgeblich auf. Die Prüfung des Nutzens von Innovationen wird ersetzt durch das Vertrauen auf ein erhofftes Potenzial.

Trotz der vielen Medizinprodukteskandale und anderslautender Erklärungen des BMG, sich für mehr Sicherheit in der Versorgung einzusetzen, scheint der Gesetzgeber hier eine andere Priorität zu verfolgen: Innovationen sollen so früh wie möglich in die Erstattung durch die GKV gebracht werden. Eine angemessene Diskussion dieser Neuregelung wurde durch Einbringen in letzter Minute in eine ohnehin bereits mit wichtigen Tagesordnungspunkte überladene Parlamentsdebatte faktisch unmöglich gemacht. Hintergrund für die Änderungen dürfte sein, dass die bisher maßgebliche Rechtsprechung des Bundessozialgerichts konterkariert werden soll. Bislang hatte diese immer klargestellt: Zu Lasten der GKV dürfen nur Leistungen erbracht werden, die das Qualitätsgebot des SGB V erfüllen. Innovationen mit unbekanntem Nutzen oder Schaden sollen zuerst in klinischen Studien ausreichend untersucht werden. Auf Grundlage der Studien sei zu entscheiden, welche Patientinnen und Patienten damit behandelt werden sollen und welche nicht. Dieses Prinzip soll nun offenbar nicht mehr gelten. (bee)

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