Interview

„Wir brauchen wieder mehr Gestaltungsmöglichkeiten für die Selbstverwaltung“

März 2025

Am 3. März 2025 hat Dr. Martin Krasney seinen Dienst als Vorstand beim GKV‑Spitzenverband angetreten. Er folgt Gernot Kiefer nach, der im Vorjahr in den Ruhestand gegangen ist. Der Jurist war bereits seit Beginn der Aufbauphase 2008 als Leiter der Rechtsabteilung beim GKV-Spitzenverband beschäftigt, bevor er für ein halbes Jahr als Partner und Rechtsanwalt in die Strategie- und Rechtsberatung Dierks+Company wechselte. Wir haben anlässlich seiner Rückkehr zum GKV‑Spitzenverband mit Herrn Dr. Krasney gesprochen. Im Interview äußerte er sich u. a. zu den Herausforderungen der neuen Regierung im Gesundheitsbereich und zur Rolle der Selbstverwaltung in der GKV.

Herr Dr. Krasney, Sie waren Mitarbeiter der ersten Stunde im GKV-Spitzenverband. Wenn Sie heute zurückschauen – wie hat der Verband sich in den 17 Jahren seines Bestehens verändert?
In der Tat, 17 Jahre sind eine lange Zeit – manchmal erschrecke ich selbst ein wenig angesichts der so schnell vergangenen Zeit. Der GKV‑Spitzenverband ist in dieser Zeit enorm gewachsen – sowohl in Bezug auf die Aufgaben und das Personal als auch hinsichtlich der Herausforderungen, die er meistern musste. In die 17 Jahre seines Bestehens fallen zum Beispiel die Finanzkrise ab 2008, die politischen Eingriffe in die Selbstverwaltung, gegen die sich der Verband behaupten musste und die die Selbstverwaltungsbefugnisse ohne Grund eingeschränkt haben, und natürlich die Corona-Krise.

Diese hat den GKV‑Spitzenverband zum einen intern vor große Herausforderungen gestellt – ich kann mich noch gut erinnern, wie quasi über Nacht das mobile Arbeiten im Verband organisiert wurde – zum anderen hat Corona uns fachlich unglaublich stark gefordert: Wir mussten mit den Leistungserbringenden zahllose Vereinbarungen treffen, um schnell und unbürokratisch das Gesundheitswesen in einer weltweiten Pandemie neu zu organisieren. Impfzentren, Finanzierungen, Rechtsverordnungen – nahezu täglich neue Sachverhalte, auf die wir reagieren mussten.

An solchen Herausforderungen ist der Verband gewachsen und musste sich verändern. Eines aber ist relativ konstant geblieben: Ich glaube, der GKV‑Spitzenverband ist ein verlässlicher Ansprechpartner für Selbstverwaltung und Politik geblieben.

Dr. Martin Krasney, Vorstand beim GKV-Spitzenverband

Die nächste Veränderung ist bereits abzusehen – wir stehen unmittelbar vor einem Regierungswechsel. Aller Voraussicht nach werden wir in den kommenden Jahren mit einer CDU-geführten Regierung zusammenarbeiten. Die Ausgangslage im Gesundheitsbereich ist für die neue Regierung denkbar schlecht – welche drei Aufgaben sind aus Ihrer Sicht am drängendsten?
Als erstes muss sich die neue Regierung natürlich der Frage widmen, wie gesetzliche Krankenversicherung (GKV) und soziale Pflegeversicherung (SPV) künftig und bestenfalls nachhaltig finanziert werden sollen. Zentral ist dabei aus meiner Sicht, dass die Beitragsgelder künftig wieder ausschließlich für die originären Aufgaben von GKV und SPV verwendet werden – Stichwort: keine Beitragsgelder für gesamtgesellschaftliche Aufgaben. Hier ist einiges zu tun.

Als zweiten Punkt sehe ich die Stärkung der Selbstverwaltung. Wir brauchen wieder mehr Gestaltungsmöglichkeiten für die Selbstverwaltung – was auch bedeutet, dass unsere Mitgliedskassen wieder größere wettbewerbliche Spielräume bekommen müssen.

Und als dritter Punkt liegt mir die Digitalisierung im Gesundheitswesen am Herzen: Hier wünsche ich mir von einer neuen Regierung, den begonnenen Weg offen, konsequent und mutig weiterzugehen.

Dr. Martin Krasney, Vorstand beim GKV-Spitzenverband, im Interview

Sie haben vor einigen Jahren in einem aufsehenerregenden Prozess vor dem Bundessozialgericht die Rückabwicklung der Regelungen über die Beauftragung der BZgA im Bereich Prävention erreicht. Warum war dies aus GKV-Sicht ein wichtiges Anliegen?
Dieser Prozess war vor allem ein großer Erfolg unserer Selbstverwaltung, die sich hier gegen Widerstände durchsetzen musste – ehrlicherweise habe auch ich als Leiter der Rechtsabteilung des GKV‑Spitzenverbandes das Ansinnen zu Beginn eher skeptisch gesehen. Wir haben den Auftrag der Selbstverwaltung dann mit Ehrgeiz und erfolgreich umgesetzt.

Für die GKV war der Prozess aus zwei Gründen wichtig: Zum einen hat das Urteil klargestellt, dass die GKV ihre Aufgaben selbst erfüllen muss und dass Beitragsgelder nicht von Bundesoberbehörden verwaltet und verplant werden dürfen – die dann am Ende auch weitreichende Entscheidungen treffen. Zum anderen wurde mit dem Urteil eine grundsätzliche Entscheidung in der Frage getroffen: gesamtgesellschaftliche Aufgaben sind nicht mit Beitragsgeldern zu finanzieren. Hier hat uns das Urteil unglaublich geholfen, weil wir uns darauf berufen können, wenn es um Kompetenzen und Finanzierung geht.

Sie waren in Ihrer bisherigen Tätigkeit für den GKV-Spitzenverband viel vor Gericht und haben viele Prozesse geführt. Wird Ihnen diese aktive anwaltliche Tätigkeit fehlen – und worauf freuen Sie sich in Ihrem neuen Amt am meisten?
Das wird mir durchaus fehlen, keine Frage, denn ich habe diese Aufgaben immer gern gemacht. Aber dafür freue ich mich auf neue Tätigkeiten – besonders darauf, von hochqualifizierten Kolleginnen und Kollegen zu lernen und auf dieser Basis dann Gesundheitsversorgung mitzugestalten.

Dr. Martin Krasney, Vorstand beim GKV-Spitzenverband

Ihr künftiger Job wird sicherlich nicht ruhiger werden als Ihr bisheriger. Was ist Ihr privater Ausgleich zum Stressabbau?
Ich habe bisher immer das Glück gehabt, dass ich aus meiner Arbeit Kraft geschöpft habe, sodass ein Stressabbau gar nicht so dringend erforderlich war. Das ist wirklich ein unglaubliches Geschenk und ich hoffe, dass es mir auch künftig gegeben wird. Wenn es dann aber doch mal stressig wird, ist mein Mittel der Wahl zum Stressabbau ganz klar der Sport – ganz egal ob Laufen, Tennisspielen oder eine andere Form der Bewegung. Dabei kann ich wirklich abschalten.

Sie sind ehrenamtlich für eine medizinische Fachgesellschaft im Bereich von Suchterkrankungen tätig. Was genau machen Sie da und wie beurteilen Sie die Relevanz von Ehrenämtern?
Die Fachgesellschaft braucht in ihrem Vorstand einen Juristen – ich bin also dort ein bisschen der „Satzungsjurist“ und stehe als Austauschpartner zur Verfügung.

Grundsätzlich kann man das Ehrenamt nicht hoch genug schätzen. Sowohl bei uns in der sozialen Selbstverwaltung als auch in anderen Bereichen – die Menschen stecken eine Menge Zeit, Energie und Einsatz in ihre Ehrenämter. Sei es auf den Sportplätzen dieses Landes, sei es in kirchlichen Einrichtungen, in der Politik oder im humanitären Bereich – das ist extrem wichtig für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Als Jugendlicher hat man das immer als selbstverständlich hingenommen, dass am Sportplatz ein ehrenamtlicher Trainer stand. Aber was das an Zeit, Energie und Nerven gekostet hat, versteht man oft erst im Erwachsenenalter.

Herr Dr. Krasney, vie­len Dank für das Ge­spräch.

Zur Person

Dr. Martin Krasney

Dr. Martin Krasney, Vorstand beim GKV-Spitzenverband

Dr. Martin Krasney ist seit dem 1. März 2025 Vorstand beim GKV-Spitzenverband. Zuvor war er Partner und Rechtsanwalt in der Strategie- und Rechtsberatung Dierks+Company. Bis zum Sommer 2024 war er bereits seit Beginn der Aufbauphase 2008 als Leiter der Rechtsabteilung beim GKV-Spitzenverband beschäftigt. In den Jahren davor war der 1969 geborene promovierte Jurist und Bankkaufmann unter anderem als Justiziar beim BKK Bundesverband sowie in verschiedenen Rechtsanwaltssozietäten tätig. Er ist als Mitherausgeber des Beck-Großkommentars zum SGB und weiteren Veröffentlichungen zudem wissenschaftlich aktiv.

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