Über- und Fehlversorgung in Deutschland?
Der vergleichende Blick in andere europäische Länder legt die Vermutung nahe, dass in Deutschland eine vollstationäre Über- und Fehlversorgung in der Psychiatrie stattfindet, die sich auch auf das Personal auswirkt. Im europäischen Durchschnitt gab es 1993 durchschnittlich 110 psychiatrische Krankenhausbetten auf 100.000 Einwohner (Watermann U, Neubert O (2021) Zu viele Betten. führen und wirtschaften im krankenhaus f&w 7/2021 S. 594-595). Der europaweite Trend zur Ambulantisierung der psychiatrischen Versorgung hat dazu geführt, dass es im Jahr 2021 nur noch 73 Betten pro 100.000 Einwohner waren. Völlig gegen diesen Trend ist in Deutschland die Zahl der psychiatrischen Betten weiter angestiegen auf zuletzt etwa 130 Betten pro 100.000 Einwohner (eurostat 2023).
Bisher wird der Großteil der erwachsenen Patientinnen und Patienten in Deutschland vollstationär behandelt. Eine multiprofessionelle Komplexbehandlung mit einer vorgegebenen Therapiedichte von mindestens 1,5 Stunden Therapie pro Woche wird jedoch nur in drei Prozent der stationären Fälle durchgeführt. Und obwohl fast alle Krankenhäuser tagesklinische Behandlung anbieten, werden weniger als 15 Prozent der Behandlungstage in Tageskliniken erbracht, siehe Tabelle 1: