Heilmittel

Blankoverordnung, Direktzugang & Co. - wohin steuert die Heilmittelversorgung?

September 2023

Die Strukturen der ambulanten Heilmittelversorgung sind in der jüngeren Vergangenheit regelmäßig Ziel gesetzgeberischer Interventionen gewesen. Nach dem Willen des Gesetzgebers werden die Zugänge zur Heilmittelversorgung für die gesetzlich Krankenversicherten in absehbarer Zeit immer vielfältiger werden. So gehören beispielsweise Telemedizinische Leistungen (TML), in der Regel durchgeführt als Videobehandlung, bereits zur Regelversorgung. Durch die Einführung der Blankoverordnung nach § 125a SGB V sowie über bereits in Aussicht gestellte Modellvorhaben zur Erprobung des Direktzugangs sollen zeitnah zwei weitere Versorgungsformen mit erweiterter und eigenständigerer Versorgungsverantwortung der Heilmittelerbringenden etabliert werden. Kann bei dieser Vielfalt an Versorgungszugängen noch von einer an dem medizinischen Bedarf der Versicherten ausgerichteten qualitätsgesicherten Heilmittelversorgung ausgegangen werden?

Durch die Kontaktbeschränkungen in der Corona-Pandemie wurde das Erbringen der TML bzw. Videobehandlung erstmalig ab März 2020 durch zeitlich befristete Sonderregelungen des GKV-Spitzenverbandes gemeinsam mit den Krankenkassenverbänden ermöglicht. Durch Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) ab September 2020 und letztlich durch den Gesetzgeber im Digitale-Versorgung-und-Pflege-Modernisierungs-Gesetz (DVPMG) vom Juni 2021 wurde die TML regelhaft verstetigt. Die Einzelheiten zur Versorgung mit TML wurden dann in den Verträgen nach § 125 SGB V für jeden Heilmittelbereich vereinbart; je nach Heilmittelbereich gelten Beschränkungen in der Anzahl der verordneten Behandlungseinheiten, die als TML erbringbar sind. Generell wird bei Verordnungen gemäß § 125 SGB V (Regelversorgung I) die Auswahl und Dauer der Behandlungsmaßnahmen sowie die Frequenz und Anzahl der Behandlungseinheiten von der Ärztin oder dem Arzt vorgegeben (z. B. Verordnung mit sechs Behandlungseinheiten Krankengymnastik, zweimal pro Woche bei Diagnose: Kniearthrose).

Zwei Formen der Regelversorgung

Als zweite Form der Regelversorgung mit Heilmitteln wurde die Blankoverordnung nach § 125a SGB V (Regelversorgung II) im Jahr 2019 mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) kurzerhand zusätzlich implementiert. Die Blankoverordnung zeichnet sich dadurch aus, dass die Therapierenden wie in der „Regelversorgung I“ auf Grundlage einer ärztlichen Verordnung tätig werden, hierbei jedoch eigenständig über die Auswahl und Dauer der Behandlungsmaßnahmen sowie die Frequenz und Anzahl der Behandlungseinheiten bestimmen dürfen (z. B. Verordnung: ärztliche Diagnose Kniearthrose, keine Angaben zur Art, Dauer und Frequenz des Heilmittels, Gültigkeit der Verordnung 16 Wochen). Die vertraglich zu regelnden Detailfragen zur Blankoverordnung, wie z. B. welche Orientierungswerte für die Therapierenden hinsichtlich der Behandlungseinheiten sachgerecht sind, konnten noch nicht abschließend mit den Verbänden der Heilmittelerbringenden vereinbart werden.

Physiotherapeutin unterstützt einen Patienten mit Trainingsbändern.

Direktzugang erhöht Verantwortung für Therapierende

Darüber hinaus hat die Bundesregierung bereits im Koalitionsvertrag Modellvorhaben zur Erprobung des Direktzugangs zum Heilmittelerbringenden in Aussicht gestellt. Bei dieser Versorgungsform ist weder ein Arztbesuch noch eine ärztliche Verordnung nötig. Die oder der Versicherte kann also direkt die Therapierenden aufsuchen. Diese müssen nun nicht nur wie bei der Blankoverordnung eigenständig die Auswahl und Dauer der Behandlungsmaßnahmen sowie die Frequenz und Anzahl der Behandlungseinheiten bestimmen, sondern auch die Diagnose und Indikation für eine Heilmittelbehandlung.

Versorgungsvielfalt braucht Qualitätsstandards

Grundsätzlich befürwortet der GKV-Spitzenverband die neue Vielfalt an Versorgungsformen, setzt sich aber zugleich dafür ein, dass der Anspruch auf Heilmittel und die Versorgungsqualität gleichmäßig gewährleistet werden. Daher ist eine gewisse Steuerung durch Vereinbarungen von Rahmenbedingungen notwendig, um die zukünftige Heilmittelversorgung für die Versicherten bedarfsorientiert zu sichern. Für den Direktzugang - auch in Modellvorhaben - sieht es der GKV-Spitzenverband als zwingende Voraussetzung an, dass der Gesetzgeber bundeseinheitliche Ausbildungsstandards schafft, die die notwendigen Kompetenzen wie z. B. zur (Differential-)Diagnostik regeln. Die Therapierenden müssen also sicher bestimmen können, dass es sich bei den Kniebeschwerden z. B. wirklich um eine Kniearthrose handelt, die mittels Heilmitteltherapie behandelt werden kann und nicht vorher noch ärztlich abgeklärt und behandelt werden muss. Wichtig dabei ist, dass die skizzierten unterschiedlichen Zugänge zur Heilmittelversorgung zukünftig nicht dazu führen, dass Versicherte durch die Art und Weise des Zugangs bevorzugt oder benachteiligt werden. (kwi, ema)

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