Heilmittelverträge

Wer (oder was) ist ein maßgeblicher Heilmittelverband?

Mai 2024

Der gesetzliche Auftrag beschränkt die Teilnahme an Verhandlungen über die bundesweiten Heilmittelverträge nach § 125 Abs. 1 SGB V auf den GKV-Spitzenverband auf der einen und die „maßgeblichen Verbände der Heilmittelerbringer“ auf der anderen Seite. Die Intention des Gesetzgebers hinter dieser Regelung war es, eine effiziente, qualitativ hochwertige und auf breitem Konsens basierende Versorgung mit Heilmitteln sicherzustellen. Die Regelung basiert auf dem Rechtsverständnis, dass eine konzentrierte und professionelle Vertretung durch wesentliche und repräsentative Verbände die Verhandlungskomplexität reduziert, eine fokussierte Diskussion über relevante Themen ermöglicht und somit die Chancen auf das Erzielen tragfähiger Vereinbarungen erhöht. In der Realität zeigt sich jedoch leider, dass es schwer ist, hierzu ein gemeinsames Verständnis herzustellen. Der Grund: Einzelne Heilmittelverbände streiten juristisch darum, ob sie sich zu den maßgeblichen Verbänden zählen dürfen. Abhilfe schaffen könnte ein objektivierbarer Kriterienkatalog.

Hindernis für wesentliche Vertragsentwicklungen

Die Verbände eines Heilmittelbereiches stehen untereinander im Wettbewerb um Mitglieder. Und so überrascht es nicht, dass aktuell in einem Heilmittelbereich ein Dissens über die Frage besteht, welche Verbände als maßgeblich gelten und damit an den Verhandlungen zu beteiligen sind. Ein echtes Dilemma: Die sinnvolle und notwendige gesetzliche Beschränkung auf „maßgebliche Verbände“, die sicherstellt, dass die Verhandlungspartner eine ausreichende Vertretungsbreite und Fachexpertise in die Gespräche einbringen, führt nun indirekt – durch die juristische Auseinandersetzung um die Maßgeblichkeit eines etablierten Verbandes - zu einer Verzögerung bei der Weiterentwicklung des für die Heilmittelversorgung wesentlichsten Vertragswerks. Also ein echter Widerspruch zur gesetzgeberischen Absicht, eine effiziente und zielgerichtete Vertragspolitik im Gesundheitswesen zu fördern.

Eine Modopödin trainiert mit einem Kind an einer Sprossenwand.

Schiedsstelle als erste Anlaufstelle

Die so entstandene Pattsituation verdeutlicht die Bedeutung einer klaren Definition und transparenter Kriterien für die Maßgeblichkeit von Verbänden. Es bedarf eines Mechanismus, der es erlaubt, solche Konflikte schnell und im Sinne der gesetzlichen Ziele zu lösen, um die Kontinuität und Qualität der Heilmittelversorgung nicht zu gefährden. Als naheliegend könnte man die Schiedsstelle nach § 125 Abs. 6 SGB V ansehen. Die Schiedsstelle besteht nach dem gesetzlichen Auftrag aus den unparteiischen Mitgliedern und Vertretern der Vertragsparteien, also denen der Krankenkassen und jenen der Heilmittelverbände. Letztere sind jedoch von den maßgeblichen Heilmittelverbänden einvernehmlich zu benennen. Bestehen jedoch Zweifel an der Maßgeblichkeit eines einzelnen Heilmittelverbandes, ist eine Einigung über die Besetzung der Schiedsstelle ebenfalls nur schwer möglich und in der Folge ist die Schiedsstelle nicht handlungsfähig.

Gesetzlicher Kriterienkatalog sollte über Maßgeblichkeit entscheiden

Es braucht also objektivierbare Anforderungen für die Bemessung der Maßgeblichkeit eines Verbandes. Diese darf sich dabei jedoch nicht allein an der Zahl seiner Mitglieder messen. Auch seine fachliche Kompetenz, seine Fähigkeit, die Interessen seiner Mitglieder effektiv zu vertreten, und sein Beitrag zur Weiterentwicklung des Gesundheitswesens sind zu beachten. Durch diese Kriterien wird sichergestellt, dass die an den Verhandlungen beteiligten Verbände tatsächlich in der Lage sind, substanzielle Beiträge zu leisten und tragfähige vertragliche Regelungen zu vereinbaren. Auch stellt sich die Frage, ob eine Berufsgruppe innerhalb der Heilmittelerbringenden durch mehrere Verbände vertreten werden kann. Bei der Besetzung der Schiedsstelle könnte dies einer Berufsgruppe zu relevanten Vorteilen gegenüber anderen verhelfen. Der aktuelle Dissens könnte somit auch eine Chance sein, die Kriterien für die Beteiligung an Vertragsverhandlungen zu überdenken und anzupassen, um zukünftige Blockaden zu vermeiden und eine konstruktive Weiterentwicklung des Gesundheitswesens zu gewährleisten.

Insgesamt erfordert die Lösung des Konflikts um die Maßgeblichkeit im Heilmittelbereich eine sorgfältige Abwägung zwischen der gesetzlichen Intention, den Bedürfnissen der Versicherten und den Interessen der Heilmittelerbringer. Eine schnelle Klärung im Sinne der Versorgungsqualität und -sicherheit ist im Interesse aller Beteiligten. (fro, ema)

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