Reizvolle Option - vor allem für Arzneimittel ohne Zusatznutzen
Interessant dürfte ein Geheimpreis für die Industrie insbesondere für Arzneimittel sein, die im AMNOG-Verfahren keinen oder einen nicht-quantifizierbaren Zusatznutzen attestiert bekommen. Wenn Unternehmen dennoch sehr hohe Preisvorstellungen haben, würde ein Geheimpreis neue preisstrategische Optionen bieten. Das Problem: In knapp 65 Prozent der Nutzenbeschlüsse des G-BA steht dieses Ergebnis. Von Einzelfällen ist man hier also weit entfernt.
Keine Einsparungen durch Geheimpreise
Als Argument für Geheimpreise bei AMNOG-Arzneimitteln werden vereinzelt mögliche Einsparungen genannt. Als Grund hierfür wird die Referenzierung anderer Staaten auf den Deutschen Erstattungsbetrag angeführt. Vereinfacht gesagt: Der deutsche Preis gilt dort (gemeinsam mit weiteren Preisen anderer Staaten) als Orientierungswert bei der Bestimmung der eigenen Erstgattungshöhe. Geheime Preise würden hier Abhilfe schaffen, da man nicht automatisch das Preisniveau für andere Staaten mitverhandeln würde. So das Argument in Kurzform. Was aus einer theoretischen Perspektive im erstem Moment einleuchtend klingen mag, lässt sich für Staaten mit Geheimhaltungsklauseln empirisch nicht annährend aussagekräftig belegen.
Auch für das deutsche System wären solche Einspareffekte wohl eher kaum zu erwarten. Ohne zusätzliche gesetzlich verbindliche Instrumente zur Preissenkung wäre es schlicht naiv anzunehmen, dass man niedrigere Erstattungsbeträge für das deutsche GKV-System aushandeln könnte, nur weil ein internationaler Preiseffekt für ein Unternehmen besser ausfällt. Entsprechend enthält beispielsweise auch der Gesetzesentwurf selbst keine Hinweise auf Einsparungen durch Geheimpreise. Für niedrigere Arzneimittelpreise bedarf es klarer Gesetze. Nachbesserungen der bestehenden Leitplanken, des Kombiabschlags sowie der Preis-Mengen-Regelungen wären hier beispielsweise gangbare Wege.
Industrieförderung auf dem Rücken der Beitragszahlenden
„Zuletzt hat der Forschungs- und Produktionsstandort Deutschland im internationalen Vergleich an Attraktivität verloren.“ Der zweite Satz des Gesetzesentwurfs macht die Intention des Gesetzgebers deutlich und daraus resultiert wohl auch, völlig nüchtern betrachtet, die Idee einer Einführung von Geheimpreisen - eine industriepolitische Fördermaßnahme, die mit Mitteln der Versichertengemeinschaft, den Beiträgen von Handwerkern und Hebammen bezahlt werden soll. So kritikwürdig dies ist, so irritierend ist auch, dass dies die Verbände der Pharmaindustrie bislang kaum zu schätzen wissen, sich zurückhaltend oder sogar ablehnend äußern. Höhere Kosten und dadurch steigende Beiträge, mehr Bürokratie, kein Versorgungsgewinn für die Versicherten – mit dem Entwurf des Medizinforschungsgesetzes würden erhebliche Lasten für den Standort Deutschland insgesamt entstehen. Diese stecken zudem voller zusätzlicher Rechtsrisiken – wie nicht zuletzt die aktuellen Verfassungsklagen ausgerechnet vonseiten der Pharmaunternehmen mit Blick auf die Rechtsmaterie zeigen - und würden neue Finanzströmen bis hin zu einer de facto Kreditgewährung durch die GKV an pharmazeutische Unternehmen bewirken.
Als Maßnahme zur Standortförderung gibt das Gesetz mindestens so viele Rätsel auf wie die Namenswahl des Gesetzes. Vielleicht ist es am Ende aber auch schlicht wieder ganz einfach zu erklären: Nicht nur im Namen, sondern auch dem Gesetz selbst steckt etwas ganz anderes darin, als darauf steht. (mro)