GKV Live

Wie kann Fehlverhalten im Gesundheitswesen noch besser bekämpft werden?

Dezember 2023

Mehr als eine Milliarde Euro in 20 Jahren – diese Summe beziffert die amtliche polizeiliche Kriminalstatistik als Gesamtschaden durch Abrechnungsbetrug im Gesundheitswesen. Seit 2004 gibt es die Stellen zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen, um dagegen vorzugehen. Doch wie kann man Licht ins vermutlich sehr große Dunkelfeld bringen? Welche Schritte sind nötig, um die Verfolgung und Aufklärung noch effizienter zu machen? Diese und weitere Fragen wurden auf der GKV Live-Veranstaltung zum Thema „20 Jahre Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen“ am 29. November 2023 diskutiert.

Die Verwaltungsratsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes, Dr. Susanne Wagenmann, blickte in ihrem Impulsstatement zurück auf die vergangenen 20 Jahre, seit der Gesetzgeber die gesetzlichen Weichen für die Bekämpfung von Fehlverhalten gestellt hat. Sie hob die Rolle des GKV-Spitzenverbandes hervor – durch dessen aktive Mitarbeit die Geburtsfehler behoben werden konnten. So habe etwa ein hochgehängter Datenschutz die Zusammenarbeit der Fehlverhaltensstellen eingeschränkt und auch verhindert, dass der Medizinische Dienst Hinweise auf Fehlverhalten weitergeben durfte, die bei dessen Prüfungen aufgefallen waren – „eine abstruse Situation“, so Wagenmann. In einem Blick nach vorne formulierte Wagenmann dann Forderungen, wie die Bekämpfung von Fehlverhalten künftig noch effizienter gemacht werden sollte: Unter anderem solle der Gesetzgeber den Einsatz von Künstlicher Intelligenz ermöglichen und eine kriminologische Dunkelfeldstudie in Auftrag geben, die das Ausmaß unentdeckter Fälle beleuchtet.

Diskussionspunkt Dunkelfeldstudie

Um die Dunkelfeldstudie ging es dann auch in der teils kontroversen Podiumsdiskussion. Der stellvertretende Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes, Gernot Kiefer, diskutierte mit Franziska Weidinger, Ministerin für Justiz und Verbraucherschutz in Sachsen-Anhalt, Prof. Dr. Kai-D. Bussmann, Professor für Kriminologie und Strafrecht an der Martin-Luther-Universität Halle, Oberstaatsanwalt Torsten Haase, stellvertretender Leiter der Bayerischen Zentralstelle zur Bekämpfung von Betrug und Korruption im Gesundheitswesen (ZKG), und Johanna Sell, Unterabteilungsleiterin im Bundesgesundheitsministerium (BMG).

Sell verteidigte, dass weder ihr Haus noch das Bundesjustizministerium bisher eine Dunkelfeldstudie in Auftrag gegeben haben. Die Strategie des BMG sei eine andere: Um Fehlverhalten im Gesundheitswesen zu bekämpfen sei es wichtig, das Hellfeld, also den bekannten Bereich von Abrechnungsbetrug und Korruption, effizienter in den Blick zu nehmen. Dafür erntete sie Widerspruch: Eine Bekämpfung des Hellfelds schließe nicht aus, das Dunkelfeld zu erforschen, hielt Gernot Kiefer dagegen. Professor Bussmann verwies auf Erfolge durch Dunkelfeldstudien in anderen kriminologischen Bereichen. Zum Beispiel sei die Tatsache, dass der überwiegende Teil von Sexualdelikten in der Familie stattfindet, erst durch eine Dunkelfeldstudie ans Licht gekommen, sagte er. Auch Justizministerin Weidinger sprach sich für eine Dunkelfeldstudie aus, betonte aber auch: Ohne Studie würde ihre Behörde weiter die Aufklärung verstärken – „wir bleiben dran.“

Impressionen von der GKV Live-Veranstaltung "20 Jahre Bekämpfung von Fehlverhalten imGesundheitswesen" am 29. November 2023

BMG plant Verbesserungen bei der Datenweitergabe

Zu Beginn der Diskussion lief ein Ausschnitt aus der Dokumentation „Milliardenschäden im Gesundheitssystem – Wie Gauner Kasse machen“ des Bayerischen Rundfunks. Oberstaatsanwalt Haase ordnete den dort geschilderten Fall eines Pflegedienstes, der auf Kosten von Bewohnenden von Pflege-WGs Kasse machte, ein: „Der Fall zeigt, dass die Kontrollmechanismen nicht ausreichen, um die schwarzen Schafe zu finden.“ Dem Medizinischen Dienst sei es nicht ohne weiteres möglich, seine Prüfungen in Privaträumen durchzuführen. Johanna Sell sagte zwar, dass die Befugnisse des MD ein Thema im Bundesgesundheitsministerium seien. Sie räumte aber ein, dass derzeit keine gesetzliche Anpassung geplant sei. Allerdings kündigte sie an, dass Regelungsvorschläge in das noch ausstehende Versorgungsgesetz I eingebracht würden, die die Weitergabe personenbezogener Daten zwischen den verschiedenen Stellen in der Fehlverhaltensbekämpfung erleichtern sollen.

KI-gestützte Datenauswertung notwendig

Zum Schluss der Diskussion kam das Gespräch auf Künstliche Intelligenz. Die Teilnehmenden waren sich einig, dass eine systematische, KI-gestützte Datenauswertung entscheidend ist, um Fehlverhalten im Gesundheitswesen aufzudecken. Gernot Kiefer hob die geplante Digitalgesetzgebung des BMG hervor: Diese sei darauf ausgerichtet, vorhandene Daten durch systematische Auswertungen besser nutzbar zu machen – „ein notwendiger Schritt in die richtige Richtung“.

Die angeregte Diskussion zeigt, wie wichtig das Thema Fehlverhaltensbekämpfung im Gesundheitswesen ist und dass trotz aller Erfolge noch weitere Schritte nötig sind. (hed)

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