stationäre Versorgung

Qualitätsverträge in der Praxis (Teil 2)

Juni 2023

Qualitätsverträge zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern sollen Anreize für eine qualitativ bessere stationäre Versorgung bieten. Nicht nur einzelne Verfahren sollen damit besser laufen, sondern auch Vor- und Nachbereitung einer Operation verbessert werden, wie der Qualitätsvertrag der Barmer exemplarisch zeigt.

Qualitätsverträge können beispielsweise in der endoprothetischen Gelenkversorgung, in der Schmerztherapie oder bei der Versorgung von Menschen mit geistiger Behinderung oder schweren Mehrfachbehinderungen abgeschlossen werden.

Seit Inkrafttreteten des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung 2019 hat das zuständige Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) 72 solcher Verträge registriert. Erste Zwischenergebnisse zur Evaluation werden dem Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) Mitte 2026 vorgelegt. In dieser Serie stellen wir einzelne Qualitätsverträge vor. Den Auftakt bildete in Teil 1 ein Qualitätsvertrag zum Fast-Track-Verfahren bei endoprothetischen Implantationen.

Beispiel 2: Prävention des postoperativen Delirs bei älteren Patientinnen und Patienten (Barmer)

Ein postoperatives Delir ist eine durch eine Operation ausgelöste psychische Störung, die sich auf den Heilungsverlauf und das Behandlungsergebnis auswirkt. Ohne Intervention ist die akute Funktionsstörung des Gehirns mit einer erhöhten Morbidität und Mortalität assoziiert. Besonders gefährdet sind insbesondere ältere Patientinnen und Patienten über 65 Jahre oder auch Menschen mit kognitiven Einschränkungen oder demenziellen Vorerkrankungen. Die kognitive Leistungsfähigkeit wird bei Krankenhausaufnahme in der Regel aber nicht überprüft und ein erlittenes postoperatives Delir wird somit oftmals nicht erkannt.

Ziel: Delirinzidenz und –dauer senken

Zielgruppe des Qualitätsvertrages der Barmer mit der Charité sind chirurgische Patientinnen und Patienten über 70 Jahre. Mithilfe von gezielten Präventionsmaßnahmen soll der Qualitätsvertrag dazu beitragen, dass besonders gefährdete Menschen nach einer Operation seltener oder zumindest für eine kürzere Dauer in einen Delirzustand geraten. Die Erreichung dieser ergebnisorientierten Ziele fördert die Barmer mit einem gezielten finanziellen Zuschlag bei Reduzierung der Delirinzidenz oder –dauer. Damit kann ein wichtiger Beitrag zur Erhöhung der Patientensicherheit und der Behandlungsqualität durch verringerte Komplikationen und Langzeitfolgen des postoperativen Delirs geleistet werden.

Zwei Pflegekräfte sprechen mit einem älteren Patienten.

Screening und Betreuung vor und nach der OP

Ein wichtiges Instrument hierbei ist die Aufklärung im Vorfeld der Operation und ein gezieltes Screening auf bestehende Risikofaktoren für die Entstehung eines postoperativen Delirs. Sofern vor der Operation ein erhöhtes Risiko für ein postoperatives Delir festgestellt wird, sollen gezielte Interventionen wie das Angebot von Orientierungs- und Kommunikationshilfen, Physiotherapie und anderen Hilfestellungen für die Erkrankten durchgeführt werden. Während der Operation geht es insbesondere um das Schmerzassessment oder das Monitoring der Narkosetiefe. Ein weiteres Screening nach der Operation in Kombination mit weiteren Interventionen nach Bedarf runden das spezielle Interventionsprogramm ab. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Erkennung von Hochrisikofällen im Vorfeld der Operation. Dazu gehören insbesondere geriatrische Patientinnen und Patienten, die häufig eine verminderte Resistenz gegenüber Stressfaktoren zeigen (Frailty). Deren Ressourcen sollen durch gezielte Stressverminderung mobilisiert werden, z. B. Einbindung von Angehörigen, Indikationsstellung für Prämedikation und ggf. auch eine Stressprophylaxe vor der Operation sowie medikamentöse und nicht-medikamentöse Stressreduktion während der Operation.

Erste Ergebnisse sind erfolgversprechend

Erste Ergebnisse aus den ersten beiden Interventionsjahren (01.10.2020 bis 30.09.2022) mit 3.960 in den Qualitätsvertrag eingeschlossenen Fällen deuten darauf hin, dass das zentrale Ziel der Verbesserung der Ergebnisqualität erreicht wurde. So hat sich die Delirinzidenz bisher um 40 Prozent verringert und auch die Delirdauer konnte um 25 Prozent und die Pflegegradsteigerung um 30 Prozent reduziert werden. Der Qualitätsvertrag der Barmer mit der Charité läuft noch bis zum 30. Juni 2023. Dem Vertrag sind weitere Ersatzkassen beigetreten. (jma)

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