Die Empörung der KBV
Die KBV kritisierte diese Zahlen und zweifelte das Plus von einer Milliarde Euro an. Sie geht nur von einem Honoraranstieg von 440 Mio. Euro aus:
„Selbst wenn wir tatsächlich ein Plus von einer Milliarde Euro erzielt hätten, wäre das kein tolles Ergebnis gewesen“, sagte Gassen. Denn noch immer würden 20 Prozent der ärztlichen Leistungen nicht vergütet, und in den Praxen zeichne sich schon jetzt ein Investitionsstau ab. Es sei zudem nicht korrekt, wenn der GKV-Spitzenverband die extrabudgetären Leistungen als Honorarsteigerung ausweise. Man wisse ja noch gar nicht, ob diese Leistungen abgefordert würden. Und wenn, dann müssten die Ärzte sie zusätzlich erbringen. „Das ist Mehrarbeit, die bezahlt werden muss“, meinte Gassen gegenüber dem Deutschen Ärzteblatt.
Diese Bewertung verwundert und ist mit Blick auf angeblich „nicht vergütete Leistungen“ unangemessen. Honorarsteigerungen scheinen nach Lesart der KBV anscheinend nur solche zu sein, die ohne Mehrarbeit zu erzielen sind. Auch die Mehrvergütung aufgrund der Erhöhung der MGV-Leistungsmengen durch die Morbi-Raten muss explizitermaßen durch Mehrarbeit verdient werden; hier geht es schließlich um einen morbiditätsbedingten Anstieg des Behandlungsbedarfs. Im Übrigen ist ein Blick auf die Internetseite der KBV interessant. Dort wurden bspw. im Kontext der Honorarverhandlungen 2017 auch die zu erwartenden Honorarsteigerungen durch die extrabudgetären Leistungen mit 350 Mio. Euro benannt. Dies sollen jetzt auf einmal keine„echten“ Honorarsteigerungen mehr sein.
Weitere vergütungssteigernde Faktoren
De facto kann sich die Kassenärzteschaft auf noch mehr Vergütungsanstieg im Jahr 2018 freuen: Die Prognose von einer Mrd. Euro bezieht sich lediglich auf die o. g. Anpassungsfaktoren. Daneben gibt es noch weitere Tatbestände, die die Höhe der Gesamtvergütungen und damit die ärztlichen Einkommen bestimmen:
Hier sind zum einen zusätzliche regionale Tatbestände zu erwähnen. Die Kassenärztlichen Vereinigungen und die regionalen Krankenkassen müssen einerseits die Ergebnisse der Bundesebene umsetzen. Andererseits gibt es aber auch weitere Verhandlungstatbestände, die zu einer Anpassung der Vergütungen führen können, bspw. aufgrund von Zuschlägen auf den Punktwert zur Förderung bestimmter Leistungen oder Leistungserbringer oder Anpassungen zur Berücksichtigung einer besonderen Versorgungs- und Kostenstruktur. Die Höhe dieser zusätzlichen Vergütungsanpassungen ist auch aufgrund der regional sehr unterschiedlichen Konstellationen schwer vorherzusagen.
Mehreinnahmen kann es auch durch neue Leistungen geben, die aufgrund von gesetzlichen Vorgaben oder von Beschlüssen des Gemeinsamen Bundesausschusses in den Leistungskatalog der GKV aufgenommen wurden. Dies betrifft für das Jahr 2018 bspw. das sogenannte Notfalldatenmanagement. Derzeit ist noch unklar, welche zusätzlichen Vergütungssummen hierfür anfallen werden.
Ein weiterer Anstieg der Honorare ist durch den Versichertenzuwachs in der GKV bedingt. Wie in den letzten Jahren auch wird im Jahr 2018 eine große Anzahl Versicherter neu in die GKV eintreten. Nach derzeitiger Schätzung des Schätzerkreises ist im Saldo mit einem Zuwachs der Versichertenzahl um 1,0 % zu rechnen. Da die Gesamtvergütungen nach der Zahl der Versicherten von den Krankenkassen gezahlt werden, ist daher davon auszugehen, dass die ärztlichen Vergütungen in 2018 um weitere rund 400 Mio. Euro steigen werden. Bei den neuen Versicherten handelt es sich überwiegend um jüngere Personen mit einer unterdurchschnittlichen Inanspruchnahme von ärztlichen Leistungen. Gleichwohl entrichten die Krankenkassen derzeit im Rahmen der MGV eine volle Versichertenpauschale für diese Personen, was der Vertragsärzteschaft zusätzlich zugutekommt.
Insgesamt werden die Steigerungen der vertragsärztlichen Vergütung im Jahr 2018 also nicht nur eine Mrd. Euro – bzw. lediglich 440 Mio. Euro, wie von der KBV behauptet - sondern mindestens 1,35 Mrd. Euro betragen. Hinzu kommen noch zusätzliche Honorare aufgrund der regionalen Vergütungsverhandlungen sowie für neue Leistungen.