Medizinprodukte

Gefahr für Patienten-Sicherheit durch Hochrisiko-Methoden im Krankenhaus

Juli 2021

Behandlungsmethoden mit „Medizinprodukten hoher Risikoklasse“ kommen in Krankenhäusern häufig ohne ausreichende Datenlage zum Einsatz. Erst wenn eine höhere Vergütung beantragt wird, müssen sie sich einer Bewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) unterziehen. Die aktuellen G-BA-Verfahren bestätigen erneut: Systematische Studien sind für die Patientensicherheit unerlässlich.

Die Behandlung von GKV-Versicherten im Krankenhaus wird in der Regel durch Fallpauschalen vergütet. Wollen Krankenhäuser für den Einsatz von bestimmten innovativen Medizinprodukten hoher Risikoklasse mehr Geld von den Krankenkassen erhalten als bisher vom Entgeltsystem vorgesehen, müssen sie die verfügbaren Daten zu Nutzen und Risiken dieser Behandlungsmethode an den G-BA übermitteln. Binnen drei Monaten bewertet der G-BA die Hochrisikomethode dann in einem Verfahren nach § 137h SGB V.

Qualität bei Hochrisikomethoden – darauf kann man sich verlassen …?

Auf Grundlage der eingereichten Informationen muss der G-BA entscheiden, ob die angefragte Methode überhaupt einen Nutzen für Patientinnen und Patienten hat, oder ob diese unwirksam oder gar schädlich ist. Stellt sich letzteres heraus, soll der G-BA sie aus der Versorgung ausschließen. Bis dahin haben sich jedoch schon etliche Patientinnen und Patienten einer Behandlung mit dieser Methode unterzogen – im Vertrauen darauf, dass sie ihnen hilft.

Eine Hand hält einen Stent

Datenlage aktuell bewerteter Methoden nicht ausreichend

Sieben von acht Bewertungsverfahren sind bereits abgeschlossen (vgl. Übersicht). Der G-BA konnte den Nutzen mit Ausnahme einer Teilindikation bei keiner Methode als belegt ansehen. Für Schädlichkeit oder Unwirksamkeit fand sich anhand der vorgelegten Daten, wie erwartbar, kein Hinweis. Dies verdeutlicht, dass neue Hochrisikomethoden im Krankenhaus überwiegend eingesetzt werden, ohne dass ausreichende Erkenntnisse über Nutzen oder Schaden vorliegen. Diese Methoden werden jedoch – so will es das Gesetz – trotzdem auch außerhalb einer solchen Studie weiterhin in der Routineversorgung in Krankenhäusern angewendet. Klarheit in dieser unsicheren und letztlich patientengefährdenden Situation könnten nur systematische klinische Studien bringen.

Verfahren nach § 137h SGB V

  • Beschreibung: Bei einem Herzinfarkt wird nach der Einlage eines Stents zusätzlich eine stark sauerstoffangereicherte Lösung in das betroffene Herzkranzgefäß gegeben, um dem Absterben von Herzmuskelzellen entgegenzuwirken und somit die Narbe im Herzen möglichst klein zu halten.
  • Bewertungsergebnis: Bewertungsverfahren bei Redaktionsschluss noch nicht abgeschlossen.
  • Beschreibung: Mittels eines dauerhaft eingesetzten Katheters sollen erneut aufgetretene Verengungen der Harnröhre des Mannes durch Aufdehnung und das kurzzeitige Einwirken eines Chemotherapeutikums behandelt werden.
  • Bewertungsergebnis: Weder der Nutzen noch die Schädlichkeit/Unwirksamkeit sind als belegt anzusehen. → Studie notwendig
  • Beschreibung: Im Rahmen einer Lungenspiegelung (Bronchoskopie) werden an die Bronchialschleimhaut hochfrequente gepulste elektrische Signale ausgesendet, um Schleimproduktion und Husten zu hemmen.
  • Bewertungsergebnis: Weder der Nutzen noch die Schädlichkeit/Unwirksamkeit sind als belegt anzusehen. → Studie notwendig
  • Beschreibung: Verödung der Schleimhaut des Zwölffingerdarms zur Heilung von Diabetes mellitus Typ 2.
  • Bewertungsergebnis: Weder der Nutzen noch die Schädlichkeit/Unwirksamkeit sind als belegt anzusehen. → Studie notwendig
  • Beschreibung: Wenn gegen einen Tremor (Zittern) keine Medikamente mehr helfen, soll dieser reduziert werden, indem die tremor-auslösenden Hirnareale durch Ultraschall zerstört werden.
  • Bewertungsergebnis: Die Datenlage zur Methode im Vergleich zur Standardbehandlung (Tiefe Hirnstimulation) ist nicht ausreichend. → Studie notwendig

    Für Patientinnen und Patienten, die nicht für die Standardtherapie infrage kommen, ist der Nutzen des TK-MRgFUS als hinreichend belegt anzusehen.
  • Beschreibung: Bei dieser Methode wird durch ein Implantat eine Verbindung zwischen den Herzvorhöfen geschaffen, um eine Druckentlastung bei schwerer Herzmuskelschwäche mit vermindertem Blutauswurfvolumen zu schaffen.
  • Bewertungsergebnis: Weder der Nutzen noch die Schädlichkeit/Unwirksamkeit sind als belegt anzusehen. → Studie notwendig
  • Beschreibung: Mit der Lithoplastie sollen Verkalkungen in den Herzkranzgefäßen im Rahmen einer Herzkatheter-Behandlung durch Stoßwellen zerstört werden, sodass anschließend eine Stentimplantation erfolgen kann.
  • Bewertungsergebnis: Weder der Nutzen noch die Schädlichkeit/Unwirksamkeit sind als belegt anzusehen. → Studie notwendig
  • Beschreibung: Bei dieser Methode wird eine individuell angefertigte Gefäßprothese (Stentgraft) in die großen Hohlvenen kurz vor dem rechten Herzvorhof implantiert, um den durch den Klappenfehler bestehenden Rückfluss von Blut aus dem rechten Herzen in das venöse System zu verhindern.
  • Bewertungsergebnis: Weder der Nutzen noch die Schädlichkeit/Unwirksamkeit sind als belegt anzusehen. → Studie notwendig

Patientenwohl darf Innovationswillen nicht zum Opfer fallen

Obwohl der G-BA nicht zum ersten Mal festgestellt hat, dass Behandlungsmethoden mit Medizinprodukten hoher Risikoklasse ohne gesicherte Erkenntnisse Eingang in die Versorgung finden, hält der Gesetzgeber an der bestehenden Regelung fest. Erklärtes Ziel ist dabei die Förderung von Innovationen. Dies führt dazu, dass Geld für Behandlungen ausgegeben wird, deren Nutzen unbekannt ist. Eine evidenzbasierte, am Patientenwohl orientierte Versorgung rückt dabei in den Hintergrund. (fku)

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