Medizinprodukte

Auf dünnem Eis - erste Erkenntnisse aus der Bewertung von Hochrisikomedizinprodukte-Methoden

Juni 2017

Seit 2016 sollen neue Methoden mit Hochrisikomedizinprodukten im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) nach § 137h SGB V bewertet werden. Hierzu übermitteln Krankenhäuser zugleich mit einer erstmaligen Anfrage an das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) diejenigen Erkenntnisse an den G-BA, die zu ihrer Entscheidung geführt haben, die Methode an Patientinnen und Patienten anzuwenden. Die Transparenz ist hier groß: So werden beispielsweise die übermittelten Unterlagen durch den G-BA veröffentlicht, damit insbesondere andere Krankenhäuser und Hersteller diese Informationen einsehen und ergänzen können (https://www.g-ba.de/informationen/verfahren-137h/).

Bislang erfolgte zu vier Behandlungsmethoden mit insgesamt zehn unterschiedlichen Anwendungsgebieten eine solche Informationsübermittlung. Immerhin konnte das IQWiG zu zwei Anwendungsgebieten feststellen, dass diese das Potenzial haben, eine erforderliche Behandlungsalternative darzustellen (vgl. https://www.iqwig.de/de/projekte-ergebnisse/projekte.1057.html). Der G-BA ist der Empfehlung des IQWIG mit Beschluss vom 16.03.2017 gefolgt (https://www.g-ba.de/informationen/beschluesse/zum-unterausschuss/5/). Dass der überwiegende Teil der Anwendungsgebiete kein Potenzial haben soll, überrascht zunächst. Die Studienlage, die zu manchen Anwendungsbereichen hier öffentlich sichtbar wird, ist allerdings bedrückend dünn.

Ultraschalltherapie als Innovation

Eine der vier Methoden ist die ultraschallgesteuerte hoch-intensive fokussierte Ultraschalltherapie (USg HIFU). Diese Behandlung soll laut antragstellendem Krankenhaus bei insgesamt sieben Indikationen durchgeführt werden, von denen an dieser Stelle drei beispielhaft betrachtet werden sollen.
1. Nicht chirurgisch behandelbare bösartige Neubildungen des Knochens und Knochenmarks (Knochenmetastasen)
2. Nicht chirurgisch behandelbare primäre bösartige Neubildungen des Knochens und Gelenkknorpels
3. Nicht chirurgisch behandelbare sekundäre bösartige Neubildungen der Leber und intrahepatischen Gallengänge (Lebermetastasen)

Grundsätzlich wäre es wünschenswert gewesen, zu den Behandlungen umfangreiche Patientenstudien zu erhalten. Insgesamt wurden aber leider überwiegend weniger aussagekräftige Fallserien an den G-BA übermittelt, zur Anwendung der USg HIFU bei Knochenmetastasen (Beispiel 1) allerdings nicht einmal diese. Stattdessen wurden allgemein gehaltene Übersichtsarbeiten eingereicht, in denen keine Patientendaten zum Einsatz der HIFU bei Knochenmetastasen und auch keine Verweise auf andere Studien mit Patientendaten zu diesem Anwendungsgebiet gefunden werden konnten. Bei den Betroffenen handelt es sich zumeist um schwer kranke Patientinnen und Patienten mit einer sehr begrenzten Lebenserwartung. Hinweise auf einen Nutzen der Behandlung für die Betroffenen gibt es nicht. Allerdings ist eine noch weitere Einschränkung der Lebensqualität durch die Behandlung zu befürchten: Der Knochen muss nach einer Behandlung 3-6 Monate ruhiggestellt werden (Chen et al. (2010) Primary Bone Malignancy: Effective Treatment with High-Intensity Focused Ultrasound Ablation. Radiology: Volume 255: Number 3). Es scheint deshalb unangemessen, diesen Patientinnen und Patienten auf Basis der vorliegenden Datenlage Hoffnungen auf eine Besserung durch eine Behandlung mit der USg HIFU zu machen.

Die übermittelte Literatur zur Anwendung an primären bösartigen Knochentumoren (Beispiel 2) wirft mehr Fragen auf als sie beantwortet. So wurden in den vorgelegten Fallserien aus China viele Patientinnen und Patienten mit Osteosarkomen behandelt, die in Deutschland mit einer Aussicht auf Heilung extremitätenerhaltend operiert worden wären. Nicht immer kann mit der USg HIFU eine komplette Zerstörung des Tumors erreicht werden. Durch die Anwendung der „Innovation“ würde solchen Patientinnen und Patienten eine Behandlung mit Aussicht auf Heilung (die Operation) vorenthalten, was unseres Erachtens nicht vertretbar ist (in o. g. Fallserie gelang eine komplette Tumorzerstörung mit der USg HIFU immerhin bei elf Patientinnen bzw. Patienten nicht). Die Anwendung der HIFU in Deutschland ist daher auch nicht für chirurgisch behandelbare Patientinnen und Patienten vorgesehen. Es müssten aber dann zumindest Studienergebnisse für diejenigen Patientinnen und Patienten vorgelegt werden, für die die Anwendung vorgesehen ist.

Zur Behandlung von Lebermetastasen mit der Usg-HIFU (Beispiel 3) wurde eine einzige Fallserie (17 Patientinnen und Patienten) eingereicht. Da jedoch detaillierte Angaben zu den Patientinnen und Patienten sowie zu begleitenden Therapien fehlen, war nicht abschätzbar, welche der beobachteten Wirkungen auf die USg HIFU und welche auf andere Therapien zurückzuführen sind.

Bewertung trägt zum Patientenschutz bei

Dass nach der öffentlichen Nachfrage keine weiteren Erfahrungen und Informationen von anderen Krankenhäusern und Wissenschaftlern eingereicht wurden, könnte der Neuheit des Verfahrens geschuldet sein. Allerdings fällt auf, dass die Methode schon seit mehr als zehn Jahren verfügbar ist. Womöglich hat es gute medizinische Gründe, dass sie in Deutschland kaum angewendet wird. Es bleibt abzuwarten, welche zusätzlichen Erkenntnisse das noch folgende schriftliche und mündliche Stellungnahmeverfahren liefern wird. Nach jetzigem Erkenntnisstand sind die beschriebenen „innovativen Anwendungen“ als eindeutig experimentell einzuschätzen. Es gibt keine Hinweise dafür, dass Patientinnen und Patienten Hoffnungen auf Besserung oder Heilung daran knüpfen könnten. Bisher wären die Anwendungen völlig ungeprüft in die Krankenhausversorgung gelangt. Deshalb ist bereits jetzt erkennbar, dass die Bewertungen nach §137 h SGB V ein sinnvoller Beitrag zum Patientenschutz sind.

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