Serie: Qualität in der stationären Pflege

Ein neues Qualitätssystem in der stationären Langzeitpflege: Teil 2

Dezember 2019

Im Oktober startete für den Bereich der stationären Langzeitpflege ein von Grund auf reformiertes Qualitätssystem. Die Artikelserie zeigt auf, was sich nun hinsichtlich des internen Qualitätsmanagements von Pflegeeinrichtungen ändert, welche Anpassungen sich bei den Qualitätsprüfungen ergeben und wie sich diese Reformen auf die Informationen für die Verbraucherinnen und Verbraucher über die Qualität der Pflegeeinrichtungen auswirken. Am Ende wird eine erste Einschätzung zur Eignung der neuen Verfahren vorgenommen. Während es im ersten Teil um die Historie der Qualitätsprüfung in der stationären Pflege ging, beschäftigt sich der vorliegende Beitrag mit den Indikatoren der Qualitätsdarstellung.

Das neue Qualitätssystem in der stationären Langzeitpflege

Mit dem Zweiten Pflegestärkungsgesetz (2016) wurden bekannte Schwachstellen der Pflegetransparenz (neu: Qualitätsdarstellung) aufgegriffen und teilweise abgestellt. Insbesondere mit der Errichtung des Qualitätsausschusses Pflege sowie dem erweiterten Qualitätsausschuss Pflege (§ 113b SGB XI, n. F.) als Konfliktlösungsmechanismus wurden wirksame Entscheidungsstrukturen geschaffen und Entscheidungsprozesse der Pflegeselbstverwaltung gestrafft. Zwar sind die Akteure der Selbstverwaltung annähernd dieselben wie 2008 und das Prinzip der einvernehmlichen Einigung gilt nach wie vor. Jedoch wurden wesentliche Voraussetzungen für deutlich schnellere Beschlussfassungen als bisher geschaffen – nämlich durch die Errichtung des Qualitätsausschusses Pflege, einer den Qualitätsausschuss unterstützenden Geschäftsstelle und des erweiterten Qualitätsausschuss Pflege, der im Falle von Nichteinigung im Qualitätsausschuss innerhalb kurzer Zeit Entscheidungen per Mehrheitsbeschluss herbeiführt.

Zu begrüßen ist insbesondere die Vorgabe des Gesetzgebers, für die Entwicklung der neuen Verfahren und Instrumente für die

  • Qualitätsprüfungen,
  • Qualitätsindikatoren sowie für die
  • Qualitätsdarstellung (öffentliche Qualitätsberichterstattung)

in der stationären Pflege einen wissenschaftlichen Auftrag zu vergeben (§ 113b Abs. 4 SGB XI).

Ende September 2018 lag der Abschlussbericht der Auftragnehmer Institut für Pflegewissenschaft an der Universität Bielefeld und aQua-Institut Göttingen vor. Der Qualitätsausschuss Pflege beschloss auf dieser Grundlage die Regelungen für das neue indikatorengestützte Verfahren (in den Maßstäben und Grundsätzen für die vollstationäre Pflege (2018)) und die Qualitätsdarstellung (Qualitätsdarstellungsvereinbarung vollstationäre Pflege (2019)).

Der GKV-Spitzenverband hat - ebenfalls auf der Grundlage der Empfehlungen des Abschlussberichts - die Qualitätsprüfungs-Richtlinien (QPR vollstationär 2018) für die vollstationäre Pflege beschlossen, in der die Anforderungen für die externen Qualitätsprüfungen geregelt sind. Die Elemente Indikatoren und Qualitätsprüfungen bilden die wesentlichen Grundlagen für die zukünftige Qualitätsdarstellung, mit der die Verbraucherinnen und Verbraucher von den Verbänden der Pflegekassen über die Qualität der Pflege informiert werden.

Eine Frau und ein Mann in Rollstühlen im Pflegeheim

Indikatoren für Ergebnisqualität

Im Bereich der Pflegeversicherung kommen seit Oktober 2019 erstmals Qualitätsindikatoren zur Anwendung. Erste Erfahrungen mit Indikatoren in der Langzeitpflege wurden 2009 bis 2011 durch ein von Wingenfeld et al. (2011) im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit durchgeführten Entwicklungsprojekt gewonnen. Nachdem der Fokus zunächst auf der Schaffung geeigneter Verfahren und Kennzahlen für das interne Qualitätsmanagement von Pflegeeinrichtungen lag, erweiterte sich der Projektauftrag vor dem Hintergrund der negativen Erfahrungen mit den Pflegenoten. Nun wurde auch die Eignung von Indikatoren für die öffentliche Qualitätsberichterstattung überprüft.

Die Indikatoren und die Erhebungs- und Auswertungsverfahren wurden in den Folgejahren in diversen sogenannten Umsetzungsprojekten verfeinert. Die inhaltlichen und methodischen Details des nun zur Anwendung kommenden Verfahrens ist in seinen wesentlichen Grundzügen im Abschlussbericht (Wingenfeld et al. 2018) beschrieben und wurde vom Qualitätsausschuss Pflege in den Maßstäben und Grundsätzen für die vollstationäre Pflege (Qualitätsausschuss Pflege 2018) und der Qualitätsdarstellungsvereinbarung (Qualitätsausschuss Pflege 2018) festgelegt.

Nach Elsbernd et al. (2010, 171) haben Indikatoren das Ziel, „Leistungsbereiche hinsichtlich ihres tatsächlichen Qualitätsniveaus zu bewerten und die Leistungserbringung zu steuern. […] Indikatoren können lediglich anzeigen, ob das Leistungsgeschehen innerhalb des angestrebten Qualitätsniveaus liegt. Nicht erklären können sie, warum das Leistungsgeschehen von der gewünschten Qualität abweicht“.

Das Anfang Oktober 2019 eingeführte indikatorengestützte Verfahren definiert sich über seine Zielsetzungen (Steuerung der Leistungserbringung hinsichtlich der Qualität im Rahmen des einrichtungsinternen Qualitätsmanagements und Qualitätsdarstellung) sowie seine verfahrenstechnischen Details. Letztere sehen vor, dass durch die Pflegeeinrichtungen im Rahmen des internen Qualitätsmanagements von Mitarbeitenden der Pflegeeinrichtung in sechsmonatigem Abstand an einrichtungsindividuell festgelegten Stichtagen bei grundsätzlich allen versorgten Personen verpflichtend eine strukturierte Datenerhebung durchgeführt wird. Die zu erhebenden Daten werden an die zu diesem Zweck vom Qualitätsausschuss Pflege eingerichtete Institution nach § 113 Abs. 1b SGB XI (Datenauswertungsstelle Pflege, kurz: DAS) übermittelt. Den Zuschlag hierfür erhielt das aQua-Institut in Göttingen, das bereits an der Entwicklung der Grundlagen für das neue Qualitätssystem beteiligt war.

Die DAS kontrolliert die von den Einrichtungen erhobenen und übermittelten Daten auf ihre statistische Plausibilität und Vollzähligkeit und wertet die Daten bewohnerbezogen (es liegen der DAS nur pseudonymisierte Daten vor) und einrichtungsbeziehbar aus.

Die DAS stellt die Auswertungsergebnisse

  • den Einrichtungen für ihr internes Qualitätsmanagement in Form sogenannter Feedbackberichte,
  • den Landesverbänden der Pflegekassen zur Erfüllung ihrer Aufgaben wie die Information der Verbraucherinnen und Verbraucher über die Qualität der Einrichtung und
  • den Prüfinstitutionen MDK und PKV-Prüfdienst für die Vorbereitung der Qualitätsprüfungen und die Kontrolle der Plausibilität der Indikatorendaten

zur Verfügung.

Das Indikatorenset umfasst die in Abb. 3 aufgeführten zehn Themen. Zumindest vorläufig wurde auf eine aufwändige Risikoadjustierung per logistischer Regression verzichtet. Anstelle dessen wird bei einigen Indikatoren eine Unterteilung in Risikogruppen (Stratifizierung) vorgenommen. Die Unterteilung erfolgt auf Basis der Feststellung, ob bei der jeweiligen Bewohnerin bzw. dem jeweiligen Bewohner entweder geringe oder starke kognitive/kommunikative Einschränkungen bzw. geringe oder starke Mobilitätsbeeinträchtigungen vorliegen. Auswertungen haben gezeigt, dass diese vergleichsweise einfache Form der Gruppenbildung eine Differenzierung ermöglicht (Bsp. Dekubitusentstehung: bei Personen mit geringen Mobilitätseinschränkungen entstanden durchschnittlich bei 1,6 % der Bewohnerinnen und Bewohner neue Druckgeschwüre, bei Personen mit ausgeprägten Mobilitätseinschränkungen bei durchschnittlich 8,4 % der Bewohnerinnen und Bewohner). Aufgrund der Tatsache, dass für fünf Themenbereiche eine Unterteilung in Gruppen erfolgt, ergeben sich bei zehn Indikatorenthemen 15 Indikatoren:

Übersicht der Indikatoren/Themen (eigene Darstellung)
(* zwei Kennzahlen für jeweils eine Risikogruppe)

1. Erhaltene Mobilität*
2. Erhaltene Selbstständigkeit bei Alltagsverrichtungen*
3. Erhaltene Selbstständigkeit bei der Gestaltung des Lebensalltags

4. Dekubitusentstehung*
5. Schwerwiegende Sturzfolgen*
6. Unbeabsichtigter Gewichtsverlust*

7. Durchführung eines Integrationsgesprächs
8. Anwendung von Gurten
9. Anwendung von Bettseitenteilen
10. Aktualität der Schmerzeinschätzung

Einrichtungsinformationen über Ausstattungsmerkmale der Einrichtungen

Obwohl das neue Qualitätssystem überwiegend auf die Ergebnisqualität, also auf die Erhebung und Darstellung der Versorgungsergebnisse wie die Dekubitusinzidenz, abstellt, werden den Verbraucherinnen und Verbrauchern auch weiterhin ausgewählte Strukturmerkmale zur Verfügung gestellt. Hierfür hat der Qualitätsausschuss Pflege auf Grundlage der Empfehlungen des o. g. Abschlussberichts 52 Merkmale in 12 Themenkomplexen vereinbart, zu denen die Pflegeeinrichtungen in halbjährlichem Abstand Angaben bereitstellen bzw. aktualisieren müssen. Hierzu gehören auch Angaben zur vertraglich vereinbarten und tatsächlich vorhandenen Personalausstattung sowie Angaben zur Fachkraftquote und Fluktuation der Mitarbeitenden in der Pflege und Betreuung.

Die Pflegeeinrichtungen übermitteln diese Angaben an die Datenclearingstelle. Diese bereitet im Auftrag der Landesverbände der Pflegekassen die zur Veröffentlichung vorgesehenen Daten auf und stellt sie im Anschluss den Portalen der Kassenarten (z. B. Pflegelotse, Pflegenavigator, Pflegekompass, Pflegefinder) zur Verfügung.

Themebereiche für Ausstattungsmerkmale (Qualitätsdarstellungsvereinbarung 2018)

1. Allgemeine Informationen über die Einrichtung
2. Ausstattung
3. Spezialisierung/Versorgungsschwerpunkte
4. Möglichkeiten des Kennenlernens der Einrichtung
5. Gruppenangebote
6. Religiöse Angebote
7. Einbeziehung von Angehörigen
8. Kontakte der Einrichtung zum sozialen Umfeld/Quartier
9. Personelle Ausstattung (im Bereich Pflege und Betreuung)
10. Kooperationsvereinbarungen
11. Gesundheitliche Versorungsplanung für die letzte Lebensphase
12. Zusätzliche kostenpflichtige Dienstleistungsangebote

Im nächsten Teil der Serie wird es um die Durchführung der neuen Qualitätsprüfungen gehen. Sie finden den dritten Teil in der 17. Ausgabe von 90 Prozent, die im März 2020 erscheint. (jsc)

Alle Teile der Serie auf einen Blick finden Sie hier.

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