Finanzlage der GKV

GKV-Finanzergebnisse 2021 untermauern dringenden Reformbedarf

April 2022

Für das Jahr 2022 sind die Finanzen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) durch den einmalig erhöhten Bundeszuschuss gesichert. Im kommenden Jahr aber sieht die Lage kritisch aus. Der Gesetzgeber ist jetzt dringend gefordert, die Weichen für eine nachhaltige Finanzierung der Krankenversicherung ab 2023 zu stellen. Die im Koalitionsvertrag festgelegten Reformmaßnahmen stellen eine gute Basis dar. Die Ampel muss diese Reformen nun zügig angehen und durch flankierende Maßnahmen ergänzen.

Anfang März 2022 hat das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) die vorläufigen Rechnungsergebnisse der gesetzlichen Krankenversicherung (KV 45) für das Gesamtjahr 2021 veröffentlicht. Das Ergebnis: Im aktuellen Jahr ist die Finanzierung der GKV gesichert. Für 2023 dagegen wird der zusätzliche Finanzbedarf, der erforderlich wäre, um das Beitragssatzniveau weiterhin konstant zu halten, auf rund 17 Mrd. Euro geschätzt.

Nach den Rechnungsergebnissen stehen im Jahr 2021 Einnahmen von rund 278,3 Mrd. Euro Ausgaben von rund 284,6 Mrd. Euro gegenüber. Die Einnahmen aus Beiträgen und Zusatzbeiträgen stiegen 2021 pro Kopf um 4,9 Prozent, die Gesamtausgaben hingegen um 5,5 Prozent. Der nominell erfreuliche Anstieg der Beitragseinnahmen im zweiten Jahr der Pandemie erklärt sich wesentlich durch das niedrige Vorjahresniveau - im Jahr 2020 konnten die Beitragseinnahmen aufgrund des konjunkturellen Einbruchs nur um 1,9 Prozent steigen. Die deutliche Zunahme der Ausgaben im vergangenen Jahr ist insbesondere deshalb bemerkenswert, weil der Bund parallel erhebliche Milliardenbeträge zum Ausgleich von Einnahmeausfällen insbesondere an die Krankenhäuser geleistet hatte.

Ein Blick in Ausgabenentwicklung der Leistungsbereiche

In den einzelnen Leistungsbereichen zeigten sich besonders starke Ausgabenzuwächse vor allem dort, wo die Entwicklung im Jahr 2020 infolge der Pandemie weitgehend rückläufig war bzw. stagnierte. So stiegen beispielsweise die Ausgaben je Versicherten

  • für Zahnersatz um 19,2 Prozent,
  • für Heilmittel um 16,4 Prozent,
  • für Vorsorge- und Rehabilitationsleistungen um 11,2 Prozent
  • und für Früherkennungsmaßnahmen um 12,3 Prozent.

Bei den großen Leistungsbereichen ergibt sich ein heterogenes Bild. Während die Ausgaben für ärztliche Behandlung je Versicherten um 1,7 Prozent stiegen, ergab sich bei den Arzneimittelausgaben ein drastischer Zuwachs um 7,8 Prozent. Die Ausgaben für Krankenhausbehandlung stiegen trotz milliardenschwerer staatlicher Hilfen um 4,4 Prozent. Insgesamt stiegen die Leistungsausgaben um 5,7 Prozent je Versicherten.

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Abbau von Reserven führt zum Negativergebnis

Der Ausgabenanstieg ist beträchtlich, aber im Kern nicht Ursache für das negative Finanzergebnis der Krankenkassen. Einen größeren Anteil hat die so genannte „Vermögensabgabe“ der Krankenkassen, die der Gesetzgeber der GKV auferlegt hatte. Alle Krankenkassen, deren Finanzreserven zum 30. Juni 2020 mehr als zwei Fünftel ihrer durchschnittlichen Monatsausgaben betrugen, waren verpflichtet, im Jahr 2021 von diesen als „überschüssig“ definierten Reserven rund zwei Drittel an den Gesundheitsfonds abzuführen. Insgesamt wurden den Krankenkassen auf diesem Weg Finanzreserven von 8 Mrd. Euro entzogen.

Umfassende Reformen zur Finanzstabilisierung notwendig

Hinsichtlich der drohenden Finanzierungslücke für das Jahr 2023, die seitens der GKV und des BMG auf ca. 17 Mrd. Euro geschätzt wird, ist die Bundesregierung unverändert dringend gefordert, gesetzgeberisch die Weichen für eine nachhaltige Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung ab 2023 zu stellen.

Die Ampel hat sich in ihrem Koalitionsvertrag einige konkrete finanzwirksame Reformmaßnahmen verständigt. Hierzu zählen auf der Einnahmenseite die jährliche Dynamisierung der Bundesbeteiligung und die Erhöhung der Beitragspauschalen des Bundes für ALG II Bezieherinnen und Bezieher. Auf der Ausgabenseite steht insbesondere die Fortgeltung des Arzneimittel-Preismoratoriums und die vorgezogene Geltung der verhandelten Erstattungsbeträge für patentgeschützte Arzneimittel ab dem 7. Monat nach Markteintritt.

Diese Maßnahmen stellen eine gute Basis für die dringend benötigte Finanzreform dar. Sie müssen jetzt dringend umgesetzt werden, reichen aber nicht aus. Eine besonders wirksame flankierende Maßnahme wäre die dauerhafte Reduzierung der Mehrwertsteuer auf Arzneimittel und Medizinprodukte auf das Niveau, welches auch für Grundnahrungsmittel gilt. Bei Anwendung des ermäßigten Steuersatzes könnten die Beitragszahlenden jährlich in einer Größenordnung von rund 6 Mrd. Euro entlastet werden.

Mittelfristig müssen weitere strukturelle Reformen angegangen werden. Insbesondere in der stationären Versorgung, mit über 82 Mrd. Euro der größte Ausgabenbereich der GKV, sollten bestehende Wirtschaftlichkeitsdefizite abgebaut werden.

Die aktuellen Kennzahlen der gesetzlichen Krankenversicherung (KV45) sind auf unserer Homepage zu finden. (kme)

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