Pharmastandort Deutschland

GKV-Arzneimittelversorgung: starke Pharma-Industrie und stabile Finanzierung

April 2022

Anlässlich eines inoffiziell bekannt gewordenen Referentenentwurfs des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) für ein GKV-Finanzstabilisierungsgesetz wurde zuletzt über die Rahmenbedingungen für die Arzneimittelversorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) diskutiert. Auch wenn die pharmazeutische Industrie Nachteile beklagt, ist Deutschland tatsächlich ein starker Pharma-Standort. Einen Freibrief für steigende Arzneimittelpreise darf es dennoch nicht geben.

GKV gewährleistet unmittelbaren Zugang zu neuen Arzneimitteln

Pharmazeutische Unternehmen genießen in Deutschland das Privileg, dass ihre Arzneimittel unmittelbar nach dem Inverkehrbringen von den Krankenkassen bezahlt werden. Dies wird sich auch durch die Pläne des BMG, die wesentlich auf Vereinbarungen im Koalitionsvertrag zurückgehen, nicht ändern. In Deutschland sind Arzneimittel früher und in größerem Umfang verfügbar als in anderen europäischen Ländern.

Steigende Arzneimittelausgaben und dramatisches Defizit im kommenden Jahr

Die Arzneimittelausgaben der GKV bewegen sich seit Jahren auf einem hohen Niveau. Im OECD-Vergleich gehört Deutschland zu den Ländern mit den höchsten Pro-Kopf-Ausgaben für Arzneimittel. Die aktuell veröffentlichten vorläufigen Finanzergebnisse der GKV für das Jahr 2021 weisen mit 7,8 Prozent einen überdurchschnittlichen Ausgabenanstieg für Arzneimittel aus. Angesichts eines im Jahr 2023 drohenden Rekorddefizits der GKV von 17 Mrd. Euro ist es unerlässlich, bestehende Effizienzreserven bei den Arzneimittelausgaben zu erschließen und so einen Beitrag zur Stabilisierung der GKV-Finanzen zu leisten. Aus Sicht des GKV-Spitzenverbandes sind über die vorliegenden Regelungen des BMG hinaus noch weitergehende Maßnahmen notwendig, um einen Anstieg der Zusatzbeiträge zulasten der Beitragszahlenden zu verhindern.

Mehrere Blister mit Medikamenten

Effizienzreserven in der Arzneimittelversorgung heben

Die Vereinbarungen des Koalitionsvertrags weisen in die richtige Richtung. Die geplante Verlängerung des Preismoratoriums ist notwendig, da sonst Mehrausgaben in einer Größenordnung von bis zu 2 Milliarden Euro drohen. Selbst bei einer Fortsetzung des Preismoratoriums drohen aufgrund der Inflationsentwicklung und den derzeit geltenden Möglichkeiten zur Preisanpassung massive Mehrausgaben. Die rückwirkende Festsetzung des Erstattungsbetrags für Arzneimittel ab dem siebten Monat nach Markteintritt werden zwischen 75 und 150 Millionen Euro pro Jahr einsparen. Sie sind daher eine Grundvoraussetzung, um die GKV-Finanzen zu stabilisieren.

Darüber hinaus erfordert das für 2023 prognostizierte Milliardendefizit entschlossenes politisches Handeln, damit weitere Effizienzreserven im Arzneimittelbereich gehoben werden. Für eine Ausgabenbegrenzung sind zusätzlich ein höherer Herstellerabschlag sowie die Reduzierung des Mehrwertsteuersatzes für Arzneimittel erforderlich. Es ist unverständlich, weshalb für Güter des täglichen Bedarfs ein reduzierter Satz zur Anwendung kommt, nicht aber für Arzneimittel, die teilweise lebensnotwendig sind.

Unklarheiten beim Nutzen für Patientinnen und Patienten ausräumen

Richtigerweise hat das BMG auch Anpassungen bei der Nutzenbewertung von Arzneimitteln für seltene Erkrankungen und bei Kombinationstherapien auf die politische Agenda gesetzt. Bei Orphan Drugs besteht eine aus Patientensicht nicht zumutbare Evidenzlücke, die unbedingt geschlossen werden sollte. Obwohl Belege über den Zusatznutzen von Kombinationstherapien fehlen, vervielfachen sich die Ausgaben mit der Zahl der Kombinationspartner. Im Interesse der Patientensicherheit besteht auch hier dringender Handlungsbedarf. (mag)

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