Vergütungsverhandlungen

1,2 Milliarden Euro Honorarsteigerung für Ärzteschaft trotz angespannter Kassenfinanzen

Dezember 2021

Die jährlichen Honorarverhandlungen für die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte sowie Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten konnten in diesem Jahr nur durch Schlichtung zu einem Abschluss gebracht werden: Insgesamt zahlen die gesetzlichen Krankenkassen im kommenden Jahr rund 1,2 Mrd. Euro zusätzlich für die ambulante Versorgung ihrer Versicherten.

GKV-Spitzenverband und Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) beraten jedes Jahr über die Weiterentwicklung der Honorare für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte sowie Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten. Im Bewertungsausschuss werden im Wesentlichen zwei Honorarkomponenten verhandelt: eine Preiskomponente, der sogenannte Orientierungswert, und eine Mengenkomponente, der sogenannte Behandlungsbedarf. Während die Anpassung des Orientierungswertes die allgemeine Kostenentwicklung in den Arztpraxen berücksichtigt, soll der Behandlungsbedarf mit der Veränderung der Krankheitslast der Versicherten angepasst werden.

Praxiskosten waren rückläufig

In den Verhandlungen im Bewertungsausschuss lagen die jeweiligen Positionen des GKV-Spitzenverbandes und der KBV insbesondere zur Höhe des Orientierungswertes nicht zum ersten Mal weit auseinander. Die KBV forderte für 2022 zunächst eine Erhöhung des Orientierungswertes um mehr als 5 Prozent. Sie begründete dies damit, dass die Kostenentwicklung in den Arztpraxen überdurchschnittlich steige. Gründe dafür seien laut KBV zum einen die Entwicklung der Personalkosten sowie zum anderen angeblich zusätzlich anfallende Kosten aufgrund gestiegener Datenschutz-Anforderungen sowie durch die Einführung der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung und des elektronischen Rezepts.

Demgegenüber forderte der GKV-Spitzenverband eine Nullrunde, d. h. die Beibehaltung des Orientierungswertes von 2021 auch für das Jahr 2022. Denn im zugrunde gelegten Überprüfungszeitraum (2020 vs. 2019) waren die Praxiskosten sogar leicht rückläufig, wohingegen die Vergütung der Ärztinnen und Ärzte sowie der Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten im selben Zeitraum um mehr als 5 Prozent gestiegen war. Der leichte Rückgang der Praxiskosten ergab sich unter anderem aus einem Rückgang der erbrachten vertragsärztlichen Leistungen infolge der Corona-Pandemie. Die zum Teil gesunkenen Personalkosten gehen auf Kurzarbeit und den reduzierten Mehrwertsteuersatz zurück. Die hohen Vergütungssteigerungen sind zum Teil Auswirkungen des Terminservice- und Versorgungsgesetzes (TSVG), lassen sich aber auch mit den sich weiterhin dynamisch entwickelnden psychotherapeutischen Behandlungen und den gestiegenen Laborkosten infolge der flächendeckenden Tests auf das Coronavirus erklären. Aus diesen Gründen und vor dem Hintergrund der angespannten Finanzsituation der gesetzlichen Krankenkassen sah der GKV-Spitzenverband keinen Spielraum für eine Erhöhung des Orientierungswertes.

Kleine Türme aus Euromünzen, die auf Geldscheinen liegen

Schiedsspruch zur Anpassung des Orientierungswertes erforderlich

Nachdem in mehreren Verhandlungsrunden keine Einigung zur Anpassung des Orientierungswertes für das Jahr 2022 erzielt werden konnte, wurde der Erweiterte Bewertungsausschuss angerufen. In diesem Schiedsgremium der Selbstverwaltung wird der Bewertungsausschuss, bestehend aus je drei Vertreterinnen und Vertretern der Ärzte- sowie der Kassenseite, um eine unparteiische Person für den Vorsitz und zwei weitere unparteiische Mitglieder erweitert. Schließlich wurde dort mit den Stimmen der Ärztevertreterinnen und -vertreter und gegen die Stimmen der Kassenseite eine Steigerung des Orientierungswertes für das Jahr 2022 um 1,275 Prozent beschlossen. Das entspricht einem Vergütungszuwachs von ca. 500 Mio. Euro.

Einigkeit bei Mengenkomponente

Bei der Mengenkomponente, die die Krankheitslast der GKV-Versicherten berücksichtigt, beschloss der Bewertungsausschuss einstimmig Empfehlungen für das Jahr 2022. Der sogenannte Behandlungsbedarf steigt im Jahr 2022 bundesweit voraussichtlich um durchschnittlich 0,24 Prozent, was einer weiteren Honorarsteigerung um ca. 60 Mio. Euro gleichkommt. Darüber hinaus steigt die Menge der außerhalb des Budgets geförderten Leistungen, wie beispielsweise Vorsorgeuntersuchungen. Es ist davon auszugehen, dass sich dieser Anstieg wie in den letzten Jahren auch im nächsten Jahr mit rund 3,0 Prozent fortsetzt. Dies entspricht einer Honorarsteigerung im Jahr 2022 um voraussichtlich weitere 600 Mio. Euro.

Gesamtvergütung steigt 2022 auf mehr als 47 Mrd. Euro

In der Summe erhalten die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte sowie Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten allein aufgrund dieser Vereinbarungen und Entwicklungen rund 1,2 Mrd. Euro zusätzliches Honorar im Jahr 2022. Die Gesamtvergütung der Ärztinnen und Ärzte sowie der Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten wird somit voraussichtlich auf mehr als 47 Mrd. Euro steigen, was einem prozentualen Anstieg von 2,5 Prozent im Vergleich zum Jahr 2021 entspricht.

Übersicht der Honoraranpassungen

Erhöhung des Orientierungswertes 2022 um 1,275 % (Preiskomponente) ca. 0,5 Mrd. Euro
Anpassung der Mengenkomponente 2022 aufgrund der Morbiditätsveränderung (MGV) ca. 0,06 Mrd. Euro
Zusätzliche Mengenentwicklung der extrabudgetären Leistungen (EGV) 2022 (Annahme: 3 %) ca. 0,6 Mrd. Euro
Gesamtanstieg 2022 ca. 1,2 Mrd. Euro

Regionale Verhandlungen stehen noch bevor

Die Entscheidungen der Bundesebene bilden die Grundlage für die noch zu führenden Verhandlungen auf regionaler Ebene. Unter Umständen werden dabei zusätzlich regionale Anpassungen zwischen den 17 Kassenärztlichen Vereinigungen und den Vertreterinnen und Vertretern der Krankenkassen vereinbart. Diese Honorarsteigerungen sind in der Ausgabenprognose noch nicht berücksichtigt. (rok)

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