Finanzentwicklung der GKV

Kassenfinanzen für 2022 stabilisiert

Dezember 2021

Am 18. November 2021 hat der 20. Deutsche Bundestag den Weg frei gemacht für stabile Zusatzbeitragssätze der Krankenkassen im kommenden Jahr. Mit großer Mehrheit stimmten die Abgeordneten des neu gewählten Parlaments der von der Bundesregierung vorgelegten Bundeszuschussverordnung 2022 zu, die die Zahlung eines ergänzenden Bundeszuschusses in Höhe von 14 Mrd. Euro im Jahr 2022 an den Gesundheitsfonds vorsieht. Damit besteht für die Krankenkassen nun auch Gewissheit über ihre voraussichtlichen Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds und sie können auf verbindlicher Basis ihre Haushalte für das kommende Jahr aufstellen.

Die Grundlage für den Bundestagsbeschluss über die zusätzlichen Bundesmittel hatte der GKV-Schätzerkreis am 13. Oktober 2021 mit der Abgabe seiner Finanzprognose für das kommende Jahr geliefert. Die Finanzexpertinnen und -experten des Bundesministeriums für Gesundheit, des Bundesamtes für Soziale Sicherung und des GKV-Spitzenverbandes hatten turnusgemäß ihre Prognose über die Einnahmen und Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung im laufenden und im kommenden Jahr abgegeben. Das Gremium hatte sich in allen Punkten einvernehmlich auf die relevanten Schätzgrößen zur Finanzentwicklung der Jahre 2021 und 2022 verständigt und im Ergebnis für 2022 einen zusätzlichen Finanzbedarf von 7 Mrd. Euro festgestellt.

Prognose 2021

Für das laufende Jahr wurde einvernehmlich mit Einnahmen des Gesundheitsfonds von 256,4 Mrd. Euro gerechnet. Die den Krankenkassen gesetzlich zugesicherten Zuweisungen aus dem Fonds betragen in diesem Jahr unverändert 255,0 Mrd. Euro. Dem gegenüber stehen voraussichtliche Ausgaben von rund 272,2 Mrd. Euro. Die resultierende Unterdeckung in Höhe von 17,2 Mrd. Euro finanzieren die Krankenkassen mit den Zusatzbeiträgen ihrer Mitglieder sowie dem gesetzlich vorgegebenen Abbau erheblicher Vermögensteile.

Der Plenarsaal des Deutschen Bundestages in Berlin

Prognose 2022

Für das kommende Jahr erwartet der Schätzerkreis Einnahmen des Gesundheitsfonds in Höhe von rund 256,8 Mrd. Euro. Neben den geschätzten Beitragseinnahmen aus dem allgemeinen Beitragssatz von 14,6 Prozent in Höhe von 230,3 Mrd. Euro und den Einnahmen aus geringfügiger Beschäftigung (3,1 Mrd. Euro) wurde zusätzlich der bisher zur Stabilisierung des Zusatzbeitragssatzes um 7 Mrd. Euro erhöhte Bundeszuschuss - abzüglich des Anteils der landwirtschaftlichen Krankenkasse - berücksichtigt (21,3 Mrd. Euro). Den Einnahmen zugerechnet wurden zudem gesetzlich vorgesehene Zuführungen aus der Liquiditätsreserve in Höhe von insgesamt rund 2,1 Mrd. Euro.

Die Ausgaben der Krankenkassen im Jahr 2022 wurden auf rund 284,2 Mrd. Euro geschätzt. Der Ausgabenanstieg beträgt damit gegenüber dem Vorjahr 4,4 Prozent, während der Anstieg der beitragspflichtigen Einnahmen aufgrund der gedämpften Konjunkturerwartung mit 2,4 Prozent angesetzt wurde.

Aus den erwarteten Nettoeinnahmen des Gesundheitsfonds in Höhe von rd. 256,7 Mrd. Euro, die den Krankenkassen als Zuweisungen für das Jahr 2022 zugesichert werden, ergibt sich für die Krankenkassen eine Unterdeckung von rd. 27,5 Mrd. Euro. Wegen des fortgeschrittenen Vermögensabbaus müsste der entsprechende Finanzbedarf im Wesentlichen über höhere Zusatzbeiträge finanziert werden, was rechnerisch einen Zusatzbeitragssatz von 1,7 % ergeben würde. Um aber einen entsprechenden Beitragssatzanstieg zu vermeiden, hatte der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung (GVWG) vorgesorgt: Nach der gesetzlichen Vorgabe war der ergänzende Bundeszuschuss für das Jahr 2022 durch Rechtsverordnung des Bundesministeriums für Gesundheit im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen und mit Zustimmung des Bundestages so festzulegen, dass der durchschnittliche Zusatzbeitragssatz im Jahr 2022 bei 1,3 % stabilisiert werden kann.

Mit der jetzt vom Bundestag beschlossenen Anhebung des Bundeszuschusses um weitere 7 Mrd. Euro vermindert sich die voraussichtliche Unterdeckung der Krankenkassenausgaben auf 20,5 Mrd. Euro. Dieser Ausgabenüberschuss kann voraussichtlich mit dem durchschnittlichen Zusatzbeitragssatz von 1,3 % finanziert werden. Somit wird nach derzeitigem Wissensstand eine im Durchschnitt auskömmliche Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung im Jahr 2022 bei einem stabilen durchschnittlichen Zusatzbeitragssatz möglich.

Schätzwerte des GKV-Schätzerkreises vom 13.10.2021 für das Jahr 2021 und 2022

Angaben in Milliarden Euro, Werte gerundet, Differenzen können rundungsbedingt abweichen

  2021 2022
Zuweisungen an die Krankenkassen* 255,0 256,8
Erwartete Ausgaben der Krankenkassen 272,2 284,2
⇨ rechnerische Unterdeckung -17,2 -27,5
durchschnittlicher Zusatzbeitragssatzbedarf 1,3% 1,7%
vom BMG festgelegter durchschnittlicher Zusatzbeitragssatz 1,3% 1,3%
*2021 inkl. Vermögensabgabe der Krankenkassen nach § 272 SGB V  

Ausblick

Mit Blick auf die Koalitionsverhandlungen von SPD, Bündnis 90/DIE GRÜNEN und FDP sind darüber hinaus grundsätzliche Entscheidungen zur Stabilisierung der Kassenfinanzen erforderlich. So könnte die neue Bundesregierung das seit Jahren ungelöste Problem der „Unterfinanzierung“ der Gesundheitsversorgung der Arbeitslosengeld-II-Beziehenden angehen. Bereits die scheidende Regierung hatte in ihrer Koalitionsvereinbarung von 2017 eine stufenweise Anhebung der vom Bund entrichteten Krankenversicherungsbeiträge angekündigt, dies aber leider nicht umgesetzt. Mit den gegenwärtig deutlich zu niedrigen Beitragszahlungen entlastet sich der Bund jährlich um geschätzte 10 Mrd. Euro. Mit einer inhaltlich überfälligen Anpassung könnte die GKV nachhaltig entlastet werden.

Neben weiteren Maßnahmen, die zur Stabilisierung der Einnahmen beitragen könnten, etwa die Dynamisierung der nominell statischen Bundesbeteiligung für versicherungsfremde Leistungen, drängt sich aber vor allem der strukturelle Reformbedarf auf der Ausgabenseite auf. Allein im stationären Sektor, mit über 82 Mrd. Euro der größte Ausgabenbereich der GKV, ließen sich durch strukturelle Anpassungen erhebliche Wirtschaftlichkeitspotenziale heben. Herausforderungen sind hier die Überkapazitäten in Ballungsgebieten, ungenutzte Potenziale der Ambulantisierung und Spezialisierung, eine zu geringe Leistungskonzentration, eine unzureichende Investitionskostenfinanzierung der Länder und Digitalisierungsdefizite. Insbesondere hier ist die „Ampel“ gefordert, wenn sie die gesetzliche Krankenversicherung dauerhaft stabilisieren will. (kme)

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