GKV-Positionen

GKV-Versicherten-Entlastungsgesetz

Juni 2018

Mit dem Entwurf für ein GKV-Versichertenentlastungsgesetz (GKV-VEG) hat das Bundeskabinett am 6. Juni 2018 den ersten Gesetzesvorschlag des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) unter der neuen Leitung von Jens Spahn (CDU) zur Umsetzung der gesundheits- und pflegepolitischen Agenda von CDU/CSU und SPD beschlossen. Damit werden als erste gesundheitspolitische Maßnahme die Pläne der Regierungskoalition zur Reform der GKV-Finanzierung in Angriff genommen.

Der dezidierten Festlegung im Koalitionsvertrag folgend sieht der Kabinettentwurf erstens vor, dass die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung ab dem Jahr 2019 in gleichem Maße von den Beschäftigten und ihren Arbeitgebern bzw. den Rentnerinnen und Rentnern und der gesetzlichen Rentenversicherung getragen werden. Um dies zu erreichen, sollen sich Arbeitgeber und Rentenversicherungsträger ab Januar 2019 zur Hälfte an der Aufbringung der kassenspezifischen Zusatzbeiträge beteiligen, die die GKV-Mitglieder bislang noch alleine aufzubringen haben.

Zweitens sollen die hauptberuflich selbstständigen GKV-Mitglieder mit niedrigem Arbeitseinkommen entlastet werden. Auch hier folgt der Gesetzentwurf einer dezidierten Vorgabe des Koalitionsvertrags, wonach die Mindestbemessungsgrundlage für hauptberuflich Selbstständige halbiert werden soll. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht entsprechend vor, dass die spezielle Mindestbemessungsgrundlage für Selbstständige vom bisher 40. Teil der monatlichen Bezugsgröße der Sozialversicherung (2018: 2.283,75 Euro) zum 1. Januar 2019 auf den 80. Teil der Bezugsgröße (2018: 1.141,88 Euro) abgesenkt wird. Je nach Höhe ihres Arbeitseinkommens werden sich damit die Beitragslasten „kleiner Selbstständiger“ um bis zu 50 Prozent reduzieren.

GKV begrüßt Änderungen für Selbstständige – mit Einschränkungen

Der GKV-Spitzenverband hatte im Rahmen der Verbändeanhörung des BMG zum Referentenentwurf die Minderung der Mindestbemessungsgrundlage für hauptberuflich selbstständig Erwerbstätige im Grundsatz begrüßt. Auch aus Sicht der GKV werden die heutigen Regelungen der Beitragsfestsetzung für selbstständig Erwerbstätige, inklusive der gesetzlichen Mindestbemessungsgrenzen, der veränderten Erwerbssituation dieser Mitgliedergruppe nicht mehr gerecht und bedürfen daher einer Reform. Hinsichtlich der konkreten Bestimmung der neuen Mindestbemessungsgrenze sieht der GKV-Spitzenverband allerdings noch Diskussionsbedarf. Mit Blick auf die weiterhin geltende allgemeine Mindestbemessungsgrenze für die sonstigen freiwilligen Mitglieder in Höhe des 90. Teils der monatlichen Bezugsgröße (2018: 1.015,00 Euro) hält der GKV-Spitzenverband den im Kabinettentwurf vorgesehenen Grenzwert für Selbstständige für zu niedrig angesetzt. Aus Sicht der GKV bildet die geringe Differenz zwischen der allgemeinen und der speziellen Mindestbemessungsgrenze die Besonderheiten der selbstständigen Erwerbstätigkeit bei der Ermittlung der beitragspflichtigen Einnahmen im Verhältnis zu den übrigen GKV-Mitgliedern nicht mehr angemessen ab.

Eine Familie geht in der Stadt spazieren

Kritisch zu bewerten ist auch, dass im Gesetzentwurf eine Regelung zur ebenfalls von der Großen Koalition angekündigten Neubestimmung der beitragspflichtigen Einnahmen der Beziehenden von Arbeitslosengeld II fehlt. Denn während die Herabsetzung der Mindestbemessungsgrenze für Selbstständige mit erheblichen Mindereinnahmen einhergehen wird, würden die Beitragszahlenden durch die im Koalitionsvertrag angekündigte schrittweise Einführung ausgabendeckender Beiträge für ALG II-Beziehende deutlich entlastet. Der GKV-Spitzenverband fordert daher, dass beide Maßnahmen möglichst zeitgleich in Kraft gesetzt werden.

GKV-Spitzenverband kritisiert Zwangsabbau der Kassenreserven

Als dritte Maßnahme enthält der Gesetzentwurf eine Neuregelung der Betriebsmittel– und Rücklagevorgaben für Krankenkassen sowie dezidierte Vorgaben zum Abbau vorhandener Finanzreserven. Die Bundesregierung will mit diesen Regelungen erreichen, dass einzelne finanzstarke Krankenkassen ihre Zusatzbeitragssätze zur Entlastung der Versicherten deutlicher senken, als sie dies bisher getan haben. Die Neubestimmung der zulässigen Obergrenze für Finanzreserven auf das 1,0-fache einer durchschnittlichen Monatsausgabe sowie die dezidierten Vorgaben zum Abbau gegenwärtig bestehender Finanzreserven, die diese neue Obergrenze übersteigen, stellen aber einen aus Sicht der GKV unsachgemäßen Eingriff in die Finanzautonomie der Krankenkassen dar. Zudem hält der GKV-Spitzenverband eine Obergrenze für Finanzreserven in Höhe des 1,0-fachen einer Monatsausgabe aus fachlicher Sicht für zu niedrig und sieht in dem angestrebten massiven Abbau der Finanzreserven ein voreiliges, wenn nicht falsches gesundheitspolitisches Signal. Aus Sicht des GKV-Spitzenverbandes sollten zunächst die Ausgabenwirkungen sowohl der Gesetzgebung der vergangenen Legislaturperiode als auch die zusätzlichen Ausgaben der im Koalitionsvertrag angekündigten Reformansätze eingehend evaluiert werden, bevor Krankenkassen zu vorschnellen Zusatzbeitragssatzsenkungen verpflichtet werden. Im Interesse der Beitragszahlenden sollte vermieden werden, dass nach einer Welle gesetzlich erzwungener Beitragssatzsenkungen nachfolgende Ausgabensteigerungen zeitnah erneut Beitragssatzerhöhungen notwendig machen. Im Unterschied zum Referentenentwurf ist im Gesetzentwurf vorgesehen, dass die Vorgaben zum Abbau der über den neuen Höchstgrenzen liegenden Finanzreserven nicht bereits 2019, sondern erst 2020 in Kraft gesetzt werden und dies auch nur dann, wenn zuvor der Risikostrukturausgleich gesetzlich weiterentwickelt wurde. Damit hat die Große Koalition partiell auf die vielfach erhobene Kritik an einem vorschnellen Finanzreserveabbau reagiert.

Darüber hinaus enthält der Gesetzentwurf Regelungen zum Abbau von Beitragsschulden bei ungeklärten freiwilligen Mitgliedschaften, eine Rechtsänderung zur Erhöhung des zulässigen Aktienanteils bei der Bildung des Deckungskapitals für Altersrückstellungen der Krankenkassen sowie ein neues Beitrittsrecht zur gesetzlichen Krankenversicherung für ausscheidende Soldatinnen und Soldaten auf Zeit.

Die weitere Debatte und mögliche Anpassungen sind nun dem parlamentarischen Verfahren vorbehalten. Die Bundesregierung wird den nicht zustimmungsbedürftigen Gesetzentwurf nunmehr dem Bundesrat zuleiten, der binnen sechs Wochen zur Gesetzesvorlage eine Stellungnahme abgeben kann. Über seine Stellungnahme wird der Bundesrat nach der Sommerpause, voraussichtlich am 21. September 2018, beschließen. Nachfolgend wird der Gesetzentwurf samt Stellungnahme des Bundesrates und der Gegenäußerung der Bundesregierung dem Bundestag zur 1. Lesung zugeleitet.

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