Arzneimittel

Spinale Muskelatrophie: Maßnahmen zur Qualitäts-Sicherung

Februar 2021

Bis vor einigen Jahren standen für Patientinnen und Patienten mit spinaler Muskelatrophie keine medikamentösen Therapien zur Verfügung, sodass die Erkrankung in ihrer schwersten Form häufig zum Tode führte. Die Situation verbesserte sich erst 2017 durch die Zulassung des ersten Arzneimittels Spinraza. Seit 2020 steht mit dem Gentherapeutikum Zolgensma eine weitere Therapieoption zur Verfügung. Der GKV-Spitzenverband hat sich für hohe Qualitätsanforderungen eingesetzt, um eine sachgerechte Anwendung dieses Arzneimittels sicherzustellen. Die Einführung eines Neugeborenen-Screenings ist eine weitere Maßnahme zur Optimierung des Behandlungsverlaufs. Denn je früher mit einer Therapie begonnen wird, desto vielversprechender sind die Therapieergebnisse.

Medizinischer Hintergrund

Die spinale Muskelatrophie (SMA) ist eine seltene vererbbare neuromuskuläre Erkrankung. In Deutschland werden jährlich 80 bis 120 Kinder mit dieser Erkrankung geboren. Aufgrund eines Gendefektes kann nicht ausreichend von einem Protein gebildet werden, welches Nervenzellen benötigen, um die Bewegung von Muskeln zu steuern. Ohne dieses Protein kommt es zu einem Untergang von Nervenzellen im Rückenmark und in der Folge davon zu Lähmungen und Muskelschwund bis hin zum Tod. Es handelt sich bei der SMA um die häufigste genetisch bedingte Ursache für Säuglingssterblichkeit.

Je nach Krankheitsbeginn werden bei der SMA aktuell vier Typen unterschieden. Der Schweregrad der Erkrankung hängt davon ab, wie ausgeprägt der Mangel an dem Protein ist. Bei der schwersten Form der SMA (Typ I) beginnen die Symptome bereits in den ersten Lebenswochen. Da auch die Atemmuskulatur betroffen ist, müssen die Säuglinge schon bald beatmet werden. Kinder mit SMA Typ II bis IV können zwar noch motorische Fähigkeiten erlernen, verlieren diese Fähigkeit jedoch im Laufe ihres Lebens durch den progressiven Muskelschwund wieder. Es kommt zu einer fortschreitenden Behinderung.

Eine Ärztin untersucht ein Baby auf dem Schoß seiner Mutter

Für die Behandlung der SMA stehen derzeit zwei medikamentöse Therapien zur Verfügung:

  • Spinraza unterstützt den Körper, mehr von dem erforderlichen Protein zu bilden. Es muss regelmäßig über eine Injektion ins Rückenmark verabreicht werden.
  • Bei der Gentherapie (Zolgensma) wird eine gentechnologisch hergestellte funktionstüchtige Kopie des defekten Gens in den Körper eingeschleust und soll so frühzeitig in den Krankheitsverlauf eingreifen, um diesen langfristig zu beeinflussen und das Fortschreiten der Behinderung aufzuhalten. Zolgensma muss nur einmalig verabreicht werden. Es wird über eine Vene im Arm oder Bein direkt in die Blutbahn eingebracht und gelangt von dort in das Rückenmark.

Maßnahmen zur Qualitätssicherung bei der Behandlung mit Zolgensma

Zolgensma ist ein sogenanntes ATMP (engl. „Advanced Therapy Medicinal Product“, Arzneimittel für neuartige Therapien). Das Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung hat 2019 die Grundlage dafür geschaffen, dass der Gemeinsame Bundesausschluss (G-BA) für diese neuartigen Arzneimittel Maßnahmen zur Qualitätssicherung erlassen kann. Solche Maßnahmen sollen eine sachgerechte Anwendung dieser neuartigen Arzneimittel gewährleisten, da Qualität und Erfolg dieser Therapien in besonderem Maße davon abhängig sind. Am 20. November 2020 hat der G-BA nunmehr beschlossen, dass die Zolgensma-Therapie sowie die anschließende Nachsorge nur von denjenigen Krankenhäusern und ambulanten Einrichtungen durchgeführt werden, die hohe Anforderungen nachweislich erfüllen.

Besonderer Fokus liegt dabei auf der richtigen Indikationsstellung, der Qualifikation von ärztlichem und nicht-ärztlichem Personal, einer adäquaten Nachsorge sowie der Dokumentation in einem Krankheitsregister. Letzteres ist angesichts wenig belastbarer Daten aus klinischen Studien und noch weitestgehend unbekannter Langzeitwirkungen und –nebenwirkungen der Therapie unerlässlich. Der GKV-Spitzenverband hat sich für diese qualitätssichernden Maßnahmen eingesetzt, die letztlich der Patientensicherheit dienen.

Neugeborenen-Screening auf SMA

Ergänzend hat der G-BA am 17. Dezember 2020 beschlossen, ein Screening auf SMA in das erweiterte Neugeborenen-Screening (ENS) aufzunehmen. Aus der Blutprobe für das ENS können mit einem molekulargenetischen Test Kinder mit SMA zuverlässig, meist noch vor den ersten Symptomen identifiziert werden. So kann früh und zielgerichtet die weitere Abklärung und Therapieeinleitung in Krankenhäusern und ambulanten Einrichtungen mit neuromuskulärer fachärztlicher Expertise erfolgen. (sar, pus)

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