Finanzprognose für 2024

Anhaltender Reformstau führt erneut zu höheren Zusatzbeitragssätzen

Dezember 2023

Den durchschnittlichen Zusatzbeitragssatz für das Jahr 2024 hat am 31. Oktober 2023 das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) mit 1,7 Prozent im Bundesanzeiger bekanntgegeben. Bei gegenwärtig von den Krankenkassen erhobenen Zusatzbeitragssätzen von durchschnittlich 1,51 Prozent bedeutet dies, dass zum Jahreswechsel 2023/2024 nochmals ein relevanter Beitragssatzanhebungsdruck besteht. Ursächlich ist eine für 2024 geschätzte Finanzierungslücke von rd. 3,2 Mrd. Euro, die aufgrund ausbleibender gesetzlicher Reformmaßnahmen von den Krankenkassen durch höhere Zusatzbeitragssätze oder – wenn und soweit möglich – durch den Abbau noch vorhandener Reserven geschlossen werden muss.

Mit seiner Festlegung für das kommende Jahr folgt das Bundesministerium für Gesundheit der einvernehmlichen Prognose des GKV-Schätzerkreises vom 12. Oktober 2023, wonach die erwarteten Ausgaben der Krankenkassen im kommenden Jahr die zugesicherten Zuweisungen des Gesundheitsfonds in einer Größenordnung von rund 30,2 Mrd. Euro übersteigen werden. Dieser zusätzliche Finanzbedarf entspricht umgerechnet einem durchschnittlichen Zusatzbeitragssatz von 1,7 Prozent. Die Finanzexpertinnen und -experten des BMG, des Bundesamtes für Soziale Sicherung (BAS) und des GKV-Spitzenverbandes hatten sich bei ihrer diesjährigen Herbstprognose einvernehmlich auf alle relevanten Schätzgrößen für die Jahre 2023 und 2024 verständigt.

Prognose des Schätzerkreises für 2023

Für das laufende Jahr rechnet der Schätzerkreis mit einer Unterdeckung der Ausgaben der Krankenkassen (296,5 Mrd. Euro) durch die Zuweisungen des Gesundheitsfonds (273,7 Mrd. Euro) in Höhe von 22,8 Mrd. Euro. Dieses Delta schließen die Krankenkassen mit den Zusatzbeiträgen ihrer Mitglieder sowie teilweise mit dem Abbau von Reserven. Der tatsächlich erhobene Zusatzbeitragssatz beträgt zurzeit durchschnittlich 1,51 Prozent. Somit zeigt sich, dass mit dem im Jahr 2022 beschlossenen GKV-Finanzstabilisierungsgesetz und den darin enthaltenen einmaligen Finanztransfers zur ergänzenden GKV-Finanzierung die Finanzierungslücke im Jahr 2023 nur partiell stabilisiert werden konnte. Tatsächlich geschlossen wird der höhere Finanzbedarf im laufenden Jahr über höhere Zusatzbeiträge der Beitragszahlenden. Denn rückblickend sind die tatsächlich erhobenen Zusatzbeitragssätze von durchschnittlich 1,36 Prozent im Jahr 2022 auf das heutige Niveau gestiegen.

Aufeinandergestapelte Münzen

Prognose des Schätzerkreises für 2024

Für das kommende Jahr erwartet der Schätzerkreis reguläre Einnahmen (Beiträge und Bundeszuschüsse, insbesondere für versicherungsfremde Leistungen) von rund 280,4 Mrd. Euro. Dies sind 11,6 Mrd. Euro bzw. 4,3 Prozent mehr, als im laufenden Jahr 2023 zur Verfügung steht. Weiterhin berücksichtigten die Expertinnen und Experten die Zuführungen aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds in Höhe von 3,1 Mrd. Euro. Im Ergebnis stehen dem Gesundheitsfonds damit im Jahr 2024 geschätzte Gesamteinnahmen von 283,5 Mrd. Euro für Zuweisungen an die Krankenkassen zur Verfügung - ein Finanzvolumen, welches den Krankenkassen für das kommende Jahr auch in dieser Höhe zugesichert wird.

Die Ausgaben der Krankenkassen im Jahr 2024 werden auf rund 313,7 Mrd. Euro geschätzt. Dies entspricht einer Steigerung zum Vorjahr um 17,2 Mrd. Euro bzw. 5,8 Prozent. Somit ergibt sich für die Krankenkassen eine rechnerische Unterdeckung von 30,2 Mrd. Euro. Dieser nicht durch Zuweisungen des Gesundheitsfonds gedeckte Finanzbedarf entspricht rechnerisch einem Zusatzbeitragssatzniveau von etwa 1,7 Prozent. Damit werden auf die Beitragszahlenden auch zum Jahreswechsel 2023/2024 Beitragserhöhungen zukommen.

Der Reformstau führt erneut zu höheren Zusatzbeiträgen

Da das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz von vornherein keine mittel- bis langfristige Finanzstabilisierung zum Ziel hatte, verpflichtete der Gesetzgeber das Bundesministerium für Gesundheit bereits im vergangenen Jahr, bis zum 31. Mai 2023 Empfehlungen für eine stabile, verlässliche und solidarische Finanzierung der GKV zu erarbeiten und dabei insbesondere die Entwicklung der Ausgaben zu betrachten. Angestrebt wurde eine Reformgesetzgebung im Laufe des Jahres 2023, die ab 2024 finanzwirksam werden sollte, um weitere Beitragserhöhungen abzuwenden.

Dieses Ziel wurde leider verfehlt. Bisher wurden weder die Empfehlungen des BMG für eine stabile, verlässliche und solidarische Finanzierung öffentlich bekannt gegeben, noch stehen aktuell finanzwirksame Reformmaßnahmen auf der Agenda, die die Finanzentwicklung im Jahr 2024 effektiv verbessern könnten.

Die gesetzliche Krankenversicherung braucht aber in mittelfristiger Perspektive dringend finanzielle Stabilität. Die Koalition sollte zumindest die Kraft finden, die notwendigen und bereits im Koalitionsvertrag angekündigten Maßnahmen zur mittelfristigen Stabilisierung der GKV-Finanzierung - die Dynamisierung der Bundesbeteiligung sowie die Anpassung der Beitragszahlungen des Bundes für Bürgergeld-Beziehende – in die Wege zu leiten. Zudem bedarf es für eine mittelfristig stabile GKV-Finanzierung flankierende Reformmaßnahmen zur Bewältigung der ungebremsten Ausgabendynamik. Eine nachhaltige Reform wird nur gelingen, wenn sowohl die einnahmenseitigen Defizite als auch die Ineffizienzen in den Versorgungsstrukturen angegangen werden. (kme)

Ergebnisse des GKV-Schätzerkreises vom 12.10.2023 für 2023 und 2024, in Mrd. Euro, Werte gerundet

* inkl. Zuführungen aus der Liquiditätsreserve nach § 271 SGB V; 2023 zzgl. Vermögensabführung der Krankenkassen nach § 272b SGB V

** im Herbst 2022 festgelegt auf Basis der Ergebnisse der Prognose des Schätzerkreises vom 13.10.2022

  2023 2024
Zuweisungen an die Krankenkassen* 273,7 283,5
Erwartete Ausgaben der Krankenkassen 296,5 313,7
--> rechnerische Unterdeckung -22,8 -30,2
Vom BMG festgelegter durchschnittlicher Zusatzbeitragssatz 1,6 %** 1,7 %

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